„In Gesundheitsforschung für Frauen investieren“

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Der Countdown zur Nationalratswahl am 29. September läuft. Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zählt zu den wichtigsten Zukunftsthemen. Relatus hat die Spitzenkandidat:innen nach ihren Ideen gefragt. Diesmal: SPÖ-Chef Andreas Babler.

Welche Top-3 Themen müssten aus Ihrer Sicht jedenfalls im nächsten Regierungsprogramm stehen, wenn es um die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems geht – und warum? Österreichs Gesundheitssystem war lange Zeit ein Vorbild für andere Länder. Unabhängig vom Einkommen konnten die Menschen darauf vertrauen, als Patient:innen gut versorgt zu werden. Zwei schwarz-blaue Regierungen haben unser Gesundheitssystem allerdings schwer beschädigt. Wir wollen das ändern und das Gesundheitssystem wieder aufbauen: Man muss sich darauf verlassen können, dass man rasch einen Termin bei der Ärztin oder beim Arzt bekommt, wenn man ihn braucht. Die drei wesentlichen Punkte aus Sicht der SPÖ sind erstens: Medizinische Termingarantie mit Rechtsanspruch. Das bedeutet: Wenn jemand bei Beschwerden nicht innerhalb von 14 Tagen einen Termin bei der Fachärztin oder dem Facharzt der Wahl bekommt, muss eine eigene Terminservicestelle, etwa über die Hotline 1450, einen Behandlungstermin bei Kassenvertragsärzt:innen, Patient:innenversorgungszentren oder in einer eigenen Einrichtung der Sozialversicherung anbieten. Auch Wahlärzt:innen sollen im Bedarfsfall Kassenpatient:innen behandeln. Sie werden eingeladen, vertraglich an einem solchen Programm teilzunehmen, um Versorgungsengpässen gegenzusteuern. Wir sehen, dass viele Wahlärzt:innen von sich aus bereit sind, bis zu zehn Prozent ihrer Kapazitäten zum Kassentarif zur Verfügung zu stellen. Sollte das nicht ausreichen, ist als ultima ratio auch eine gesetzliche Verpflichtung für uns vorstellbar.

Und weiter? Wir sprechen uns für eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze und Vorreihung jener Studierenden aus, die sich für den Dienst im öffentlichen Gesundheitssystem verpflichten. Drittens: Die privaten Ausgaben zum Gesundheitssystem steigen Jahr für Jahr und haben bereits ein extrem hohes Niveau erreicht. Es bedarf daher zusätzlicher öffentlicher Mittel, die bereits 2018 in Form einer Patientenmilliarde versprochen worden sind. Diese Mittel müssen tatsächlich auch dem Gesundheitssystem zugeführt werden. Außerdem braucht es dringend eine Pflegeoffensive. Damit künftig ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung steht, müssen Menschen für diesen Beruf gewonnen werden. Die Voraussetzungen dafür sind gute Arbeitsbedingungen, ausreichend Ausbildungsplätze, eine attraktive, kostenfreie Ausbildung, ein Ausbildungsgehalt und ein fixer Arbeitsplatz nach der Ausbildung.

Sie haben zusätzliche Mittel angesprochen, die es für das öffentliche Gesundheitssystem braucht. Nach der jüngsten Gesundheitsreform stehen auf Basis des Finanzausgleichs insgesamt 14 Milliarden Euro bis 2028 für Reformen in Gesundheit und Pflege zur Verfügung. Das wird aus Ihrer Sicht also nicht ausreichen? Wo konkret muss die nächste Regierung nachbessern? Diese Mittel werden nicht ausreichen, um unser Gesundheitssystem fit für die Zukunft zu machen und die Versäumnisse der letzten Jahre aufzuholen. Wenn man bedenkt, dass die ÖGK im Jahr 2023 rund 380 Millionen Euro Abgang hatte und 2024 lediglich rund 200 Millionen aus dem Finanzausgleich bekommt, dann ist damit nicht einmal das Defizit abgegolten. Es braucht insbesondere im Bereich der sozialen Krankenversicherung Mehraufwendungen, um endlich die schon 2018 versprochene Leistungsharmonisierung umzusetzen, einen modernen, attraktiven Gesamtvertrag auszuarbeiten, um Kassenvertragsstellen auszubauen, die Primärversorgung entsprechend zu stärken und mehr Gewicht auf Gesundheitsförderung und Prävention zu legen.

Frauen sind bei der medizinischen Versorgung nachweislich strukturell benachteiligt. Sollte das Thema Frauengesundheit/Gendermedizin stärker in die Gesundheitspolitik der kommenden Jahre einfließen? Frauengesundheit ist in meinem „Herz und Hirn“-Plan für Österreich ein eigener Punkt. Denn das Gesundheitssystem ist auf vielen Ebenen nicht frauengerecht. Die SPÖ will das ändern. Ziel muss sein: Frauen sollen nicht mehr für ihre Gesundheit ausgeben müssen als Männer – und Frauen haben es sich verdient, dass ihre Krankheitsbilder genauso gut erforscht sind wie die der Männer. Wir wissen, dass Frauen auch anders krank sind, als Männer. Die SPÖ will daher sicherstellen, dass ausreichend in die Gesundheitsforschung für Frauen investiert wird. Konkret sollen Forschungsprojekte im Bereich der geschlechtersensiblen Medizin mit zehn Millionen Euro jährlich gefördert werden. Die aus der Gendermedizin gewonnenen Erkenntnisse müssen dann in der Folge auch rasch und verpflichtend in die Ausbildung des Gesundheitspersonals eingebaut werden. Weiters fordern wir mehr Kassen-Gynäkolog:innen. Patientinnen haben oftmals keine andere Wahl, als in Privatarztpraxen zu gehen und dafür viel zu zahlen.

Würden Sie, wenn Ihre Partei nach der Nationalratswahl in Regierungsverantwortung wäre, das Gesundheitsressort in dieser Form belassen: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz? Ich bin mit dem Versprechen angetreten, dass mit mir in der Regierung die Gesundheitspolitik wieder einen hohen Stellenwert haben wird. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, in dem die e-Card und nicht die Kreditkarte darüber entscheidet, wann man welchen Arzt/welche Ärztin oder welche Behandlung bekommt. Die SPÖ wird hart daran arbeiten, dass es ausreichend Ressourcen und Mittel für ein Gesundheitssystem gibt, auf das sich die Menschen verlassen können. Wie das Gesundheitsressort genau zusammengesetzt sein soll, wird man gemeinsam mit dem Koalitionspartner klären. (Das Interview führte Evelyn Holley-Spiess)