Expert:innen aus Medizin und Infektionsprävention präsentierten anlässlich des Welttages der Patient:innensicherheit am Dienstag Forderungen an die künftige Regierung.
Den jährlichen Aktionstag der Patient:innensicherheit hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eingeführt, um Empfehlungen für eine wirksame Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den Fokus zu rücken. Denn Patient:innen sollen darauf vertrauen können, dass bei der Gesundheitsversorgung keine vermeidbaren Fehler passieren. Für führende Expert:innen und die Austromed, Interessensvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen, war das der Anlass für eine Pressekonferenz. Auch von der Ärztekammer kamen Forderungen an die künftige Regierung.
„Wir erwarten schon seit langem moderne gesetzliche Regelungen, um den Kampf gegen vermeidbare Infektionen im österreichischen Gesundheitswesen schlagkräftig führen zu können. Das künftige Regierungsübereinkommen sollte sich dringend der Stärkung der Prävention verschreiben. Gleichzeitig brauchen wir Gesundheitsbildung schon für die Kleinsten und Maßnahmen zur Ausbildung von Hygienefachkräften. Last but not least: Mehr und durchsetzbare Rechte für Patient:innen“, erklärten Ojan Assadian, Ärztlicher Direktor des Landesklinikums Wiener Neustadt, Brigitte Ettl, ehemalige Ärztliche Direktorin der Klinik Hietzing und Präsidentin der Österreichischen Plattform Patient:innensicherheit, und Miranda Suchomel, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) und Professorin am Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien, unisono. Der Vorschlag der Expert:innen, um all diese Forderungen state-of-the-art zu realisieren: „Das neue Gesundheitsministerium sollte ehebaldigst eine Arbeitsgruppe ‚Krankenhaushygiene‘ einsetzen, die bundesweit verpflichtende Standards erarbeitet – für mehr Sicherheit und für mehr Ressourcen.“
Assadian verwies auf eine in Kooperation mit dem IHS entstandene Studie „Krankenhauskosten von nosokomialen Infektionen in Österreich“. 38.500 nosokomiale Infektionen bedeuten 131.000 zusätzliche Behandlungstage in Krankenhäusern auf Normalstationen und insgesamt jährliche Mehrkosten in Höhe von 281 Millionen Euro. Neun Prozent der Intensivbelagstage, also knapp jedes zehnte Bett auf einer Intensivstation, entfallen derzeit also auf Patient:innen mit nosokomialen Infektionen.“
Artur Wechselberger, Allgemeinmediziner und Referent für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) betonte die Bedeutung des Fehlermanagements: „Wie in allen Bereichen des Lebens können auch im medizinischen Umfeld Fehler passieren. Allerdings gefährden solche im Gesundheitswesen mitunter die Sicherheit von Patientinnen und Patienten.“ Auch die medizinische Diagnostik sei nicht gefeit vor gefährlichen Ereignissen, denen man mit einer offenen Fehlerkultur aber effektiv entgegenwirken könne. „Die Patienten selbst sowie die Spitäler können ebenfalls einen Teil dazu beitragen, die Fehlerquote im Gesundheitsbereich zu minimieren“, sagte ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart. Die Bandbreite der Fehler rund um die Diagnostik reiche von Verwechslungen von Patienten bzw. deren Befunden bis hin zu schlechter Vorbereitung von diagnostischen Maßnahmen, weiß Wechselberger. Letzteres sei etwa der Fall, wenn bei der Anwendung von Kontrastmitteln, wie sie vor allem in der bildgebenden Diagnostik üblich sei, allfällige Unverträglichkeiten oder andere Risikofaktoren nicht erfasst oder nicht berücksichtigt würden und es dann zu unerwünschten Reaktionen kommen könne.
Um die Fehlerquote so gering wie möglich zu halten, brauche es eine offene und lösungsorientierte Fehlerkultur. „Schuldzuweisungen helfen da nicht weiter. Es muss vielmehr darum gehen, die Ursachen für Mängel und Fehlverhalten zu identifizieren und sich zu überlegen, wie man diese in Zukunft vermeiden kann“, sagt Wechselberger. Zu diesem Zweck habe die Österreichische Ärztekammer vor 15 Jahren das bundesweite Berichts- und Lernsystem CIRS (Critical Incident Reporting System) ins Leben gerufen. Das Tool biete sowohl Beschäftigten im Gesundheitswesen als auch Patient:innen die Möglichkeit, anonym Fehler oder Beinahe-Fehler im Zusammenhang mit Krankenbehandlung zu melden, erklärt Steinhart: „Das ist eine wichtige Lernquelle und hilft dabei, Fehler zu vermeiden und dadurch die Patientensicherheit zu erhöhen.“ (rüm)