Männer begehen viel häufiger Suizid als Frauen. Besonders gefährdet sind diejenigen, die einem traditionellen Rollenbild entsprechen wollen, wie eine neue Studie zeigt.
Männer, die dem traditionellen Bild von Maskulinität entsprechen wollen, sind stärker gefährdet, Suizid zu begehen. Eine Schweizer Studie der Universität Zürich hat dieses Phänomen nun genauer untersucht. Knapp 500 Männer aus deutschsprachigen Ländern füllten dafür eine Reihe von Fragebögen aus, die unter anderem Symptome für Depression, Konformität mit traditionellen Maskulinitätsideologien und suizidales Verhalten ermittelten. „Die Analyse der Befragung hat gezeigt, dass man drei Gruppen unterscheiden kann“, erklärte Erstautor Lukas Eggenberger. Für etwa sechzig Prozent der Studienteilnehmer spielt Konformität mit traditionellen Maskulinitätsideologien keine wesentliche Rolle („Egalitäre“). Etwa 15 Prozent haben ein Bild von Männlichkeit, das sich vor allem in einer patriarchalischen Einstellung manifestiert („Player“). Diesen Männern ist es zudem wichtig, viele Sexualpartnerinnen zu haben und als heterosexuell wahrgenommen zu werden.
Die letzte Gruppe, von den Forschenden als Stoiker bezeichnet, umfasst etwa ein Viertel der Männer: Sie weisen eine starke Konformität mit traditionellen Normen auf – allerdings nicht wie die Player hauptsächlich in Bezug auf Status und sexuelle Erfolge, sondern auf Faktoren wie Kontrolle von Emotionen, Eigenständigkeit und Risikobereitschaft wie zum Beispiel schnelles Fahren oder das Ausüben von Extremsportarten. Die Auswertung der Fragebögen hinsichtlich Suizidgefährdung zeigte, dass die Gruppe der Stoiker im Vergleich zu den Egalitären ein mehr als doppelt so hohes Risiko für Suizidversuche aufweist. Bei den Playern war die Gefahr gegenüber den Egalitären hingegen nicht signifikant erhöht.
Die Studie zeigt zudem, dass die traditionellen Vorstellungen keineswegs nur in den Köpfen der älteren Generation verhaftet sind − ganz im Gegenteil: Die Gruppe der Stoiker war signifikant jünger als die anderen Gruppen. Eggenberger hat eine Vermutung, warum das so sein könnte: „Aus entwicklungstheoretischer Sicht ist das junge Erwachsenenalter eine zentrale Phase der Identitätsfindung. Traditionelle Maskulinitätsideologien bieten jungen Männern eine Möglichkeit, sich über ihr Geschlecht zu definieren, quasi zum Klub der Männer zu gehören.“
Aufgrund der Forschungsergebnisse empfiehlt das Studienteam die Entwicklung von Interventionen, die speziell auf die Gruppe der Stoiker zugeschnitten sind. Zum Beispiel könnten medizinische Fachkräfte stärker für diese Männer sensibilisiert werden. Depressionen würden sich bei diesen Männern beispielsweise oft nicht durch klassische Symptome, sondern als somatische Probleme wie etwa Rückenschmerzen, aber auch durch Aggressionen oder risikoreiches Verhalten auswirken. (kagr)
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