Regierung: die Reaktionen der Gesundheitsberufe

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Was sagen die Akteure im Gesundheitswesen zu den Plänen von ÖVP, SPÖ und NEOS? RELATUS hat sich umgehört und fasst die Einschätzungen zusammen.

„Wir sehen es positiv, dass das neue Koalitionsprogramm einige Konzepte und Forderungen der Ärzteschaft aufgreift, und sehen einer Zusammenarbeit mit der künftigen Regierung mit Interesse entgegen“, sagt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, in einer ersten Reaktion. Einige Passagen des Programmes seien im jetzigen Stadium aber noch nicht eindeutig zu interpretieren und bedürften einer entsprechenden Konkretisierung. „Für alle offenen Fragen hat die Ärztekammer gute und tragfähige Lösungsvorschläge, die wir sehr gerne in die Gespräche mit der künftigen Regierung einbringen“, sagt Steinhart.

Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (ÖGKJP) ortete in einigen Bereichen „zukunftsweisende und begrüßenswerte Ansätze“. Genannt werden etwa Maßnahmen zur besseren Bekämpfung des Kindesmissbrauchs und – wenn auch unter Budgetvorbehalt – ein Ausbau der Therapieangebote zur „Stärkung der psychosozialen Versorgung insbesondere für Kinder und Jugendliche“ sowie mehr Gesundheitsangebote an den Schulen. Fehlen würden u.a. klare Aussagen zur Erweiterung des kinder- und jugendpsychiatrischen Angebots oder kassenfinanzierter Psychotherapie für alle Kinder und Jugendliche mit Bedarf.

In der Apothekerkammer freute man sich über Pläne der Regierung für mehr Prävention und Gesundheitskompetenz, bessere Patient:innensteuerung durch Einführung von Gesundheitslotsen und mehr Telemedizin und Präventionsleistungen. „In ihrem Regierungsprogramm hat die designierte neue Bundesregierung die richtigen gesundheitspolitischen Themen identifiziert und den dortigen, dringend notwendigen Reformbedarf erkannt“, betont Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer. Die vertrauensvolle Beziehung zwischen der Bevölkerung und den Apotheken biete großes Potenzial für personalisierte Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme.

Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) begrüßt die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der professionellen Pflege. Gleichzeitig fordert der Verband eine rasche und konsequente Umsetzung der geplanten Reformen, um die Versorgungssicherheit und die Arbeitsbedingungen der Gesundheits- und Pflegeberufe nachhaltig zu verbessern. Ein zentrales Anliegen sei der Ausbau der ambulanten Versorgung. Geplante Maßnahmen wie verbindliche Versorgungspfade, die Stärkung von Primärversorgungseinheiten sowie der Ausbau von Therapie- und Pflegepraxen würden zu einer spürbaren Entlastung der Spitäler beitragen. Gleichzeitig müsse die Stärkung der freiberuflichen Pflege weiter vorangetrieben werden, um eine niedrigschwellige Versorgung der Bevölkerung besonders im ländlichen, unterversorgten Gebieten besser zu gewährleisten. Generell brauche es bessere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter, gezielte Ausbildungsprogramme und die Rückholung von ausgebildeten Fachkräften durch attraktive Angebote“, sagt ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann.

Der Samariterbund fordert ein zukunftstaugliches, flächendeckendes und ausfinanziertes Pflegesystem, einen starken Katastrophenschutz mit moderner Ausrüstung, ein modernes Rettungswesen mit erweiterten Befugnissen und ein verlässliches, armutsfestes Gesundheitssystem. Das Geld müsse endlich wieder für Patient:innen ausgegeben werden und nicht für die Bürokratie. Der Zuständigkeits-Dschungel zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen müsse ein Ende haben.

Der gemeinnützige Verein Praevenire – Gesellschaft zur Optimierung der solidarischen Gesundheitsversorgung – ortet zahlreiche Maßnahmen, die man als zentrale Forderungen mit Gesundheitsexpert:innen in den vergangenen Jahren erarbeitet habe. Praevenire-Präsident Hans Jörg Schelling betont: „Besonders im Bereich Digital Health, der Prävention und der patientenzentrierten Versorgung setzt die Regierung wichtige Impulse. Die Finanzierung aus einer Hand bleibt dabei jedoch eine Zukunftsaufgabe, die wir weiterhin engagiert einfordern werden. Trotzdem bleiben für eine nachhaltige und umfassende Reform noch ungelöste Probleme wie die Neuorganisation der Finanzströme und die Kompetenzfragen zwischen Bund, Länder und Sozialversicherung zu lösen.“

Die geplante Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist:innen stößt beim Österreichischen Seniorenrat auf Ablehnung. Die beiden Präsidenten, der heuer geschäftsführende Peter Kostelka (SPÖ) und Ingrid Korosec (ÖVP) weisen darauf hin, dass Pensionist:innen ihr ganzes Arbeitsleben Krankenversicherungsbeiträge eingezahlt haben und während ihrer Aktivzeit (40 Jahre und mehr) in der Regel kaum Leistungen in Anspruch genommen hätten. Zudem würde die Anhebung um 0,9%-Punkte auf 6% eine Verteuerung von nahezu 20 % bedeuten – ein „starkes Stück“ wie die beiden Präsidenten meinen. (rüm)