Das Gutachten zu den geschätzten Kosten und Einsparungen im Zuge der Reform der Sozialversicherung sorgt weiter für Debatten. Die Ärztekammer warnt vor Kürzungen und steigendem Druck auf die Ärzte.
Was sich in den vergangenen Monaten abgezeichnet hat, sei nun eingetreten: “Die von der alten Bundesregierung errechnete Einsparung von einer Milliarde Euro durch die Fusion der Gebietskrankenkassen erweist sich wohl als Wunschdenken”, fasst Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), die aktuelle Diskussion rund um die Kosten der Sozialversicherungsreform zusammen. Es sei verständlich, dass es nun einen gewissen Rechtfertigungsdruck gebe, aber „eines darf nicht passieren“, so Szekeres: „nämlich, dass durch bürokratische Fusionskosten nun Geld in der Versorgung fehlt. Wenn im Gutachten, das vom Sozialministerium unter der damaligen türkis-blauen Führung in Auftrag gegeben wurde, von Einsparungen durch die Stärkung der Verhandlungsmacht gegenüber Ärztinnen und Ärzten zu lesen ist, drohen negative Auswirkungen für Patientinnen und Patienten.“ RELATUS MED hatte bereits berichtet.
„Es ist bedenklich, dass diese SV-Umstellung nicht besser durchdacht und dass nicht seriöser kalkuliert wurde“, sagt auch Johannes Steinhart, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Es ist verständlich, dass es anfangs finanziellen Bedarf gibt, aber nicht in dieser gewaltigen Dimension. Noch dazu, wo es derzeit ja funktionierende Strukturen gibt, auf die man zurückgreifen könnte und die man nicht aus vordergründig parteipolitischen Gründen zerstören sollte.“ Das Gutachten kommt auf Fusionskosten von 300 bis 400 Millionen Euro. „Man darf in einem sensiblen Bereich wie der Sozialversicherung weder nach machtpolitischen noch nach primär finanziellen Gesichtspunkten vorgehen“, sagt Steinhart: „Im Mittelpunkt muss immer die Versorgung und Sicherheit von Patientinnen und Patienten stehen, und diese darf nicht gefährdet werden.“
„Für uns ist klar, dass hier nicht gespart, sondern investiert werden muss“, sagt ÖÄK-Präsident Szekeres: „Die Patientenmilliarde muss fließen, auch wenn sich die Einsparungen bei der künftigen Österreichischen Gesundheitskasse nicht realisieren lassen. Wir brauchen 1300 neue Kassenstellen in ganz Österreich, um eine adäquate Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Mittelfristig brauchen wir einen Investitionsschub, der uns gemessen am BIP auf das Niveau unserer Nachbarn in Deutschland und der Schweiz bringt.“
Anders sieht das Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und ÖVP-Mandatar: “Ziel der Reform war von Anfang an eine effizientere und schlankere Sozialversicherung, die gleiche Beiträge für gleiche Leistungen sicherstellt. Das nun vorliegende Gutachten der Wiener Wirtschaftsuniversität zeigt, dass dieses Ziel erreicht werden kann und unterm Strich die Vorteile für die Versicherten überwiegen.” Auch der künftige ÖGK-Obmann Matthias Krenn (FPÖ) sieht keine Probleme. Der Prozess sei alternativlos, sagte er in der ZIB 2 und versprach, dass mehr Ressourcen freigemacht, als Kosten verursacht werden. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch bekräftigte ihre Kritik an Sozialministerin Brigitte Zarfl für deren aus Sicht der FPÖ “unsachliche Anfragebeantwortung” und forderte “parlamentarische Konsequenzen”. “Für die FPÖ ist es durchaus überlegenswert, eine Rechnungshofsonderprüfung für die laufenden Monate, in denen Frau Sektionschefin Zarfl das Sozial- und Gesundheitsministerium führt, zu beantragen”, drohte Belakowitsch. (APA/rüm)