Es war zwar eine Einigung in letzter Minute mit Ländern und Regierung über die Führung der Ärzteliste und damit in der Frage, wer überhaupt berechtigt ist, Patienten zu behandeln, die Ärztekammer sieht aber ein Foul der Regierung: den Ärzten wurden wichtige Kompetenzen entzogen.
Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am Donnerstag wie berichtet in die Rechte der Ärztekammer eingegriffen, und zwar mit einem umfangreichen, erst im Zuge der Sitzung eingebrachten Abänderungsantrag. Novelliert wurde das Ärztegesetz bei der Führung der Ärzteliste, was nach einem VfGH-Urteil notwendig wurde, aber auch bei den Kompetenzen für die Ärzteausbildung und – seit Jahren ein Streitpunkt – bei der Qualitätskontrolle in den Praxen. Keinerlei Verständnis hat die Österreichische Ärztekammer für die „Nacht-und-Nebel-Aktion“ im Parlament. „Wir sind fassungslos über die Desavouierung des ärztlichen Berufsstandes ohne Not mitten in einer Pandemie“, kommentiert Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Zwar habe man für die Führung der Ärzteliste einen seit Monaten feststehenden Kompromiss umgesetzt und damit ein bevorstehende Chaos verhindert – nämlich in der Frage, wer überhaupt berechtigt ist, Patienten zu behandeln. „Warum man aber gleichzeitig der Ärztekammer die Kompetenzen in der ärztlichen Ausbildung komplett entzieht und auch gleichzeitig die Kompetenzen zur Qualitätssicherung, dafür fehlt jedes Verständnis“, teilte Szekeres mit.
Laut der 14-seitigen Abänderung wird das Gesundheitsministerium das System der Qualitätssicherung bis 30. Juni 2022 evaluieren, und zwar unter Einbeziehung der Länder, der Sozialversicherung und der Ärztekammer. Gibt es keine Einigung, geht die Verordnungsermächtigung dafür mit 31. Dezember 2022 automatisch an das Gesundheitsministerium über. Mit 1. Jänner 2024 wandert die Qualitätssicherungskompetenz dann als Ganzes ans Ministerium. Bisher wird die Qualitätssicherung in Österreichs Arztpraxen durch die ÖQMed GmbH, ein Tochterunternehmen der Österreichischen Ärztekammer durchgeführt. Die Ärzte kontrollieren sich also selbst, was unter anderem schon der Rechnungshof kritisiert hat. Gesetzlich verankert wurde zudem, dass die Ärzteausbildung im Verantwortungsbereich der Länder liegt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte hier einen Eingriff in die Länderkompetenzen gesehen und die alte Regelung im Ärztegesetz aufgehoben. Die zentrale Koordination soll aber im Gesundheitsministerium bleiben, wie der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner, im Nationalrat ausführte.
„Statt österreichweit einheitlich die Ausbildungsagenden der Ärzte zu vollziehen, müssen die Bundesländer jetzt mit Steuermitteln neun Parallelsysteme aufbauen – das Geld wäre besser in der Versorgung der Bevölkerung investiert“, sagt Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, der die Novelle als ungerechtfertigten Angriff auf die Kammer und deren Selbstverwaltung geißelte: „Stattdessen zahlt die Bevölkerung doppelt drauf – die Österreicherinnen und Österreicher bekommen für zusätzliche Kosten ein schlechteres, zersplittertes und unausgegorenes System.“
Bei der Qualitätssicherung habe man überhaupt Chaos geschaffen, indem man die Kompetenzen von der ÖÄK an den Bundesminister überträgt, der jetzt ein System aufbauen muss, obwohl es längst ein funktionierendes und bewährtes System gibt. „Die Qualitätssicherungsarbeit der ÖQMed ist weltweit einzigartig und erfolgreich, was dieser Schildbürgerstreich bedeuten soll, ist vollkommen unklar“, kritisiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Diese Regelung zeigt ganz eindeutig, dass es nie um etwas Anderes ging, als um eine ausschließliche Beschneidung der Österreichischen Ärztekammer. Spätestens jetzt sind alle Masken gefallen.“ Nächste Woche finde der Kammertag der Österreichischen Ärztekammer statt. „Da werden wir geeignete Maßnahmen beschließen“, kündigte Szekeres an. (rüm)