Die positiven Meldungen über die nun doch geringen Verluste der ÖGK ärgern die Ärztekammer. Sich um fast eine Milliarde Euro zu verschätzen, sei der „Gipfel des Blindfluges in der Finanzgebarung“ der Krankenkassen.
Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, reagiert sauer auf die jüngsten Meldungen über das beinahe ausgeglichene Jahresergebnis der Österreichischen Gesundheitskasse. „Auch im ersten Jahr als ÖGK haben die Krankenkassen nahtlos an die bisherige GKK-Tradition angeknüpft, sich bei der Finanzgebarung im Laufe des Jahres ordentlich zu verschätzen, teilweise um hunderte Millionen Euro“, konstatiert Steinhart. In diesem Jahr habe man aber diesbezüglich die eigenen Negativrekorde pulverisiert. „Um eine ganze Milliarde daneben zu liegen, das muss man erst einmal zusammenbringen“, sagt Steinhart zu den Schätzungen des jetzigen ÖGK-Vizeobmanns Andreas Huss.
Mit den Zahlen des Vorjahres habe die ÖGK unterstrichen, was „auch öffentlich längst gängige Wahrnehmung“ ist: „Die Vorausschauen haben mit dem tatsächlichen Ergebnis nur wenig zu tun. Schätzungen dienen mitunter offenbar sogar parteipolitischer Panikmache, das wird öffentlich vom Dachverband sogar bestätigt“, wundert sich Steinhart und ergänzt: „Wir und auch die anderen Systempartner sollten daran denken, wenn die Krankenkassen künftig wieder den Defizit-Teufel an die Wand malen.“ Verwundert zeigt sich Steinhart auch über die positiven Reaktionen auf das letztendlich doch beinahe ausgeglichene Ergebnis der ÖGK: „Es beruht zu einem großen Teil darauf, dass Menschen ihre Arzttermine, darunter wesentliche Vorsorgetermine nicht wahrgenommen haben. Das sollte weder das Ziel einer Krankenkasse sein, noch ein Grund zur Freude.“ Seitens der Ärztekammern sei vor allem nach dem ersten Lockdown immer wieder betont worden, dass die Ordinationen sicher seien und alle Menschen ruhigen Gewissens ihre Vorsorge- und Kontrolltermine wahrnehmen können. „Hier hätte auch die ÖGK mehr appellieren müssen, anstatt auf die Kosten zu schauen“, sagt Steinhart.
Gut ein Jahr nach der Kassenreform ließ am Wochenende der aktuelle Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Arbeitgeber-Vertreter Peter Lehner (ÖVP), mit einem Vorschlag aufhorchen: Er will auch die 15 Krankenfürsorgeanstalten der Länder und Gemeinden mit den Sozialversicherungsträgern fusionieren, die unter dem Dachverband zusammengefasst sind. Das sei „der nächste logische Schritt“, sagte Lehner in den „OÖNachrichten“. Diesen Schritt solle man mittelfristig gehen. Lehner, Chef der Selbstständigenkasse SVS, peilt hier 2024/25 an. Dann laufen auch die fünfjährigen Funktionsperioden führender Funktionäre in der Sozialversicherung aus, und Lehner schlägt für diesen Zeitpunkt eine Evaluierung der Kassenreform vor. Diese reduzierte die Sozialversicherungsträger von 21 auf fünf. Zu welchem der fünf Träger die bei den Fürsorgeanstalten versicherten Landes- und Gemeindebediensteten, Lehrer und Politiker aus seiner Sicht wechseln sollen, ließ Lehner offen. Das müsse man diskutieren. Möglich sei, dass Beamte zur Beamtenversicherung kommen würden, Vertragsbedienstete und Politiker zur ÖGK. (red)