Im Rahmen der Wiener Vorlesungen zum Thema „Complexity Science – Zwischen neuem Weltbild und Pandemie-Management“ hat die Wiener Ärztekammer den Paul-Watzlawick-Ehrenring 2021 an Peter Klimek und Stefan Thurner übergeben.
Die beiden Komplexitätsforscher Peter Klimek und Stefan Thurner haben den Paul-Watzlawick-Ehrenring der Ärztekammer für Wien erhalten. In ihrer Laudatio verwies Helga Nowotny, Vorsitzende des ERA Council Forum Austria und Mitglied des österreichischen Rates für Forschung und Technologieentwicklung, auf die Bedeutung der Komplexitätsforschung: „Komplexitätsforschung ist ein Zukunftsfeld, weil uns zunehmend bewusst wird, wie sehr wir selbst Teil von komplexen Systemen in einer komplexen Welt sind.“ Die Arbeit mit einer großen Datenmenge, die freilich aus der Vergangenheit stammt, ermögliche zu erfassen, was noch im Werden ist und somit in der Zukunft liegt: „Ein komplexes System besteht aus Netzwerken, deren dynamisches Verhalten sich ständig verändert. Netzwerke lassen sich modellieren. Sie reagieren auf Stress, zeigen Robustheit oder kollabieren.“
Um ein System auch nur ansatzweise zu verstehen, müsse man wissen, wie dessen Bausteine miteinander in Beziehung stehen und sich ständig dynamisch verändern. In diesem Sinne seien Peter Klimek und Stefan Thurner „die wissenschaftlichen Proponenten der Erforschung emergenter Netzwerke in komplexen Systemen“, sagte Nowotny. Ehrenringträger Klimek stellte seinen Vortrag unter das Motto „Die sich selbst erfüllende Pandemie“ und verwies auf die immer noch vorhandene Impfskepsis und Resistenz und die diversen Exitstrategien: „Diese Abwärtsspirale haben wir uns selbst konstruiert. Sie war keine epidemiologische Notwendigkeit.“ Er spielt damit auf die Lockdowns und Öffnungen, welche die Menschen verunsicherten, an.
Der zweite Ehrenringträger Stefan Thurner, Begründer des Vienna Complexity Hub, überleitete seine Dankesrede mit der Paraphrase zu Watzlawick: „Man kann auch nicht kommunizieren“ warnte er vor Polarisierungen: „Polarisierung bedeutet, dass sich zwei oder mehr Lager bilden, die sich zunehmend voneinander abgrenzen; Fragmentierung heißt, dass sich Tausende Gruppen bilden, deren Mitglieder untereinander kooperieren, die anderen jenseits der eigenen Bubble aber nicht schätzen oder verstehen wollen.“ In einer Parallelgesellschaft fühlten sich Zehntausende, manchmal Hunderttausende Menschen „der Gesellschaft“ nicht mehr zugehörig und starteten allmählich, staatsähnliche Strukturen innerhalb des Staates aufzubauen, wie es etwa bei arabischen Clans in Berlin, Bremen oder Stockholm derzeit bereits zu beobachten sei. Allen diesen Tendenzen sei gemeinsam, dass aufgrund der Lagerbildung die Kommunikation auf gesellschaftlicher Ebene nicht mehr funktionierte. Das aber gefährde die Kompromissfindungsfähigkeit, und damit die Demokratie. (red)