In den kommenden drei Wochen ist RELATUS MED in den Bundesländern unterwegs und fragt, welche Herausforderungen es jeweils im ärztlichen Bereich gibt und wie versucht wird, ihnen zu begegnen.
Stefan Kastner, Präsident der Ärztekammer Tirol, erklärt im RELATUS-Ländertour-Interview, wie der Ärztemangel Tirol trifft und welche Lösungen er sieht.
In Osterösterreich wird viel über den Ärztemangel gesprochen. Gibt es den auch Tirol? Der Ärztemangel ist sicher ein zentrales Moment. Die Frage ist, wie löst man das Problem und wie ist es überhaupt entstanden? Es liegt zu einen darin, dass das Krankenanstaltenarbeitsgesetz scharfgestellt worden ist – was generell gut ist. Die Ärzteschaft ist zudem weiblicher geworden – das ist positiv, verändert aber die Möglichkeiten. Zudem nehmen die Aufgaben für die Ärzteschaft zu. Viele Erkrankungen haben sich verändert und sind heute chronisch und damit auch komplexer geworden. Insgesamt haben wir genug Studienplätze in Österreich, wir müssen die Leute aber auch hier halten. Es beginnt schon im KPJ, wo sich Leute im ganzen deutschsprachigen Raum umsehen.
Wie ist die Ausbildung in den Tiroler Krankenhäusern? Die Plätze an den Tirolkliniken sind eng, während die jungen Ärzt:innen woanders hofiert werden. Generell bilden die Krankenhäuser nicht für den niedergelassenen Bereich mit aus, sondern denken nur stationär. Man muss aber den niedergelassenen Bereich mitdenken. Die Frage ist auch, was wir wann brauchen und wie der Bedarf in einzelnen Fächern ist. Teilweise sind die Mängel auch erkennbar, wenn man sie erkennen will.
Wo sehen Sie dann Auswege? Wir müssen planerisch wissen, wo wir hinwollen. Die Politik, die Krankenhäuser betreibt, und der Hauptverband der Sozialversicherungen müssen ein Interesse an der Gesamtversorgung haben. Die Politik ist verpflichtet für ausreichende Ärzte zu sorgen, aber die Spitäler können nicht einmal selbst sagen, wen sie brauchen. Dadurch, dass jetzt die Ausbildungsqualität und Ausbildungsstätten den Ländern übertragen wurden, macht man den Bock zum Gärtner: Die Länder bilden aus und prüfen sich selbst.
Was würde es aber konkret brauchen? Der Mangel hängt eng zusammen mit der Arbeitsplatzzufriedenheit und der Zufriedenheit mit der Ausbildungsstelle. Es braucht auch Mentoringprogramme, Unterstützungen bei Ordinationsgründungen, verschiedene Karrieremodelle und auch Änderungen in der Honorierung. Die Lebenshaltungskosten sind in Tirol höher als in anderen Bundesländern. Das muss man abbilden. Es braucht auch eine bessere Durchdringung von stationären zum niedergelassenen Bereich.
Inwiefern? Junge tun sich manchmal schwer, rauszugehen und etwas aufzubauen. Ein Problem ist aber auch, eine geeignete Immobilie zu finden. Die Umsatzsteuerbefreiung macht uns Ärzt:innen als Mieter unattraktiver. Die öffentliche Hand hätte hier sicher mehr Möglichkeiten, um zu helfen. Es braucht gute Starpakete für junge Kollegen und Kolleginnen.
Die Politik denkt darüber nach, andere Berufsgruppen stärker in den medizinischen Bereich einzubinden – ist das eine Lösung? Es gibt keine anderen Berufsgruppen, die uns viel abnehmen kann. Außerdem herrscht dort ja auch ein Personalmangel. Wir hängen in Österreich noch viel zu sehr in der Reparaturmedizin. Wir sollten viel stärker in die Vorsorge gehen. Wir müssen aber auch die Bürokratie reduzieren und dazu Prozesse verändern. Die Digitalisierung hilft da nur eingeschränkt, denn die IT kann nur den Prozessen folgen. (Das Interview führte Martin Rümmele)