Alternde Gehirnzellen „vergessen“ ihre Funktion

©Gabassi/Edenhofer

Erstmals ist es Forschenden gelungen, Gehirnen beim Altern zuzusehen. Dabei wurden unerwartete Gene und Vorgänge identifiziert. 

Weltweit sind Wissenschafter:innen auf der Suche nach Interventionen, die die Gehirnalterung verlangsamen oder ihre Folgen abmildern. Einer Forschungsgruppe um Frank Edenhofer am Institut für Molekularbiologie der Universität Innsbruck ist es nun erstmals gelungen, Mini-Gehirnen beim Altern zuzusehen. Konkret wurde mit sogenannten Gehirn-Organoiden, 3D-Miniaturgehirne, gearbeitet, die dem Aufbau des menschlichen Denkorgans näherkommen als Mäusegehirne und 2D-Zellkulturen. „Wir sehen typische degenerative Vorgänge: oxidative und andere altersbedingte Schäden an der DNA sowie verringerte mitochondriale Aktivität“, berichtete Edenhofer. Bemerkenswert sei auch die „epigenetische Erosion“, meinte der Stammzellbiologe: „Epigenetische Marker geben Zellen ihre Identität. Wir haben gesehen, dass diese Markierungen graduell verloren gehen. Dadurch ‚vergessen‘ die betroffenen Neuronen, was sie sind, und hören auf zu funktionieren.“ Diese Beobachtung unterstreicht, wie wichtig epigenetische Veränderungen im Zusammenhang mit dem Altern sind. 

Einmal etabliert, ist das Organoid-Modell nun Ausgangspunkt für Folgestudien, die das Verständnis vom neuronalen Altern verbessern werden. So hofft das Team, neue Gene zu identifizieren, die dabei eine Rolle spielen. Hinweise darauf waren bereits im Profil der Genaktivitäten der Organoide zu sehen: „Wir sehen einige unerwartete Gene, die noch nicht im Kontext von Gehirnalterung beschrieben wurden“, sagte Edenhofer. Die Forschenden fragten sich außerdem, ob neben einer künstlichen Alterung auch eine Verjüngung möglich ist. Dabei geht es um die Idee, das Entwicklungsprogramm der Zellen zurückzustellen: Alte, ausdifferenzierte Neuronen würden so in Gehirnstammzellen umprogrammiert – das gäbe dem Hirngewebe die Fähigkeit, sich zu erneuern. Diesem großen Ziel nähert sich das Forschungsteam jetzt in ersten Schritten, wie Edenhofer berichtete: „Dafür nutzen wir einen Gen-Cocktail, von dem wir wissen, dass er Zellen in Mäusen umprogrammieren kann. Wir haben erste Hinweise, dass dieser ‚Verjüngungscocktail‘ die epigenetische Erosion der Neuronen rückgängig macht.“ 

Bis es eine Verjüngungskur für das Gehirn als Medikament gibt, wird noch viel Zeit vergehen, glaubt Edenhofer. Die Vorstellung, Altern als Krankheit zu betrachten, sieht er ohnehin kritisch. Ein Ziel der Wissenschafter:innen ist es, krankhafte Alterserscheinung zu heilen, aber auch durch gezielte präventive Maßnahmen das normale Altern zu verzögern. „Vielleicht ist es eines Tages möglich, gezielt die Prävention mit Medikamenten zu unterstützen. Unsere Forschung hilft uns zu verstehen, wie unser tägliches Verhalten – zum Beispiel Ernährung und Bewegung – die Epigenetik und die mitochondriale Fitness beeinflusst.“ (kagr)