Bis 2050 könnte es laut Prognosen in Österreich über 260.000 Alzheimer-Patient:innen geben. Nun wurde eine Weißbuch „Volkskrankheit Alzheimer“ präsentiert.
Bei der Weißbuch-Präsentation „Volkskrankheit Alzheimer“ plädierten Expert:innen für einen besseren Umgang mit der Demenzkrankheit durch Früherkennung und Prävention. Laut Demenzbericht leben in Österreich derzeit 140.000 Menschen mit Demenz, zwei Drittel davon gehen auf Alzheimer zurück – eine Erkrankung, die nach wie vor stigmatisiert wird. Die Angst vor einer Alzheimer-Diagnose und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Ausgrenzung hält laut Peter Dal-Bianco, Mediziner und Präsident der Österreichischen Alzheimergesellschaft, viele Betroffene davon ab, frühzeitige Symptome untersuchen zu lassen: „Leider vergeht oft wertvolle Therapiezeit, weil der Zeitraum zwischen den ersten Symptomen bis zur Behandlung meist sehr groß ist.“
Betroffenen glauben auch oft, dass man nichts gegen die Krankheit tun kann, was laut Dal-Bianco aber nicht stimme, denn die erste Kausaltherapie „steht vor der Tür“. In den USA wurden kürzlich im Schnellverfahren Präparate (monoklonale Antikörper) zugelassen, die mit der Alzheimer-Demenz einhergehenden Anlagerungen von Beta-Amyloid Eiweißstoffen verringern, berichtete Dal-Bianco. In Europa sei man mit einer Zulassung zögerlicher, da noch nicht bewiesen ist, dass es den Patient:innen dadurch besser geht. Er bezeichnete das Vorgehen der US-Behörden als „großen Feldversuch“, um die Wirksamkeit herauszufinden.
Eventuell könnten diese monoklonalen Antikörper in früheren Stadion gut eingesetzt werden, meint der Mediziner: Es dauert 20 Jahre von den ersten Veränderungen im Gehirn bis das Organ so stark geschädigt ist, dass die Patient:innen Probleme haben. Wenn man während dieser Zeit die schädlichen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn verhindern kann, kommt es vielleicht gar nicht zu ernsthaften Krankheitszeichen.
Neben der Früherkennung sollte auch die Prävention ein Ziel sein. Laut Dal-Bianco können 40 Prozent von Demenzerkrankungen allgemein schon allein durch einen gesunden Lebensstil vermieden werden. Oftmals stecken außerdem hinter dem Symptom Vergesslichkeit auch ganz andere Ursachen als Morbus Alzheimer, sagte Dal-Bianco: Zum Beispiel Vitaminmangel, Schilddrüsen-Fehlfunktion und Depressionen. Werden diese medizinischen Probleme kuriert, verschwindet oft die Vergesslichkeit. „Manche Menschen quälen sich mit Angst und Symptomen herum, die eigentlich sehr gut behandelbar sind“, erklärte er.
Die Folgen einer Alzheimer Demenz betreffen oft nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld, berichtete Kurt Schalek von der Abteilung Gesundheitsberuferecht und Pflegepolitik der Arbeiterkammer Wien. „Von den betreuenden Angehörigen sind ungefähr 300.000 berufstätig“, sagte er: „Die Unterstützung- und Entlastungsmöglichkeiten für sie sind in Österreich, um es positiv auszudrücken, sehr ausbaufähig“. Er sieht, genauso wie Antonia Croy, Präsidentin der Patientenorganisation Alzheimer Austria, besonders im Bereich der Pflegegeldeinstufung Entwicklungsbedarf und wünscht sich einen Fokus auf Multiprofessionalität, wenn es um den Umgang mit Alzheimer-Patient:innen geht.
Die Expert:innen fordern von der Politik unter anderem spezialisierte Zentren für die Früherkennung, Differenzial-Diagnose und Therapie von Demenzerkrankten sowie bessere Förderung von Krankheitsvorbeugung im Gesundheitssystem. Sie wollen, dass die Alzheimer-Früherkennung in Vorsorgeuntersuchungen forciert und Pflegekräften mehr Fortbildung für Demenzerkrankungen ermöglicht wird. Die Alzheimerforschung solle verstärkt finanziert werden, und vor allem für alte Menschen wäre eine Aufklärungskampagne hilfreich. (kagr/APA)