Zwei Forscherinnen analysierten nationale Strategien und Programme zu Prävention und Management nicht-übertragbarer Krankheiten. Die Ergebnisse sind überraschend.
Diabetes Typ II, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen oder Depressionen sind für den Großteil der Todesfälle in Europa verantwortlich. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO entfallen in Europa 86 Prozent der Todesfälle auf solche Nicht-übertragbare Krankheiten (NCDs = Non-communicable Diseases). Österreich liegt – trotz hoher Lebenserwartung – bei den „gesunden Lebensjahren“ im europäischen Schlussfeld. Während Frauen in Österreich im Schnitt 58 Jahre und Männer im Mittel 57 Jahre in guter Gesundheit leben, sind es in Europa durchschnittlich 65 bzw. 64 Jahre. Dabei ist die Lebenserwartung mit rund 84 Jahren für Frauen und 79 Jahren für Männer in Österreich relativ hoch.
Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) liefert nun eine Analyse zur Prävention und zum Management von NCDs. Um den Gap zu den „gesunden Jahren“ zu schließen, haben die beiden AIHTA-Studienautorinnen Lucia Gassner und Inanna Reinsperger nationale Strategien und Programme zu Prävention und Management nicht-übertragbarer Krankheiten in mehreren Ländern analysiert, um daraus gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen für Österreich abzuleiten. Ein Hauptergebnisse der Studie war dabei die Feststellung, dass nationale Strategien und Programme nicht nur auf die Verhaltensebene des Einzelnen abzielen sollten. Ebenso gelte es gleichzeitig die Rahmenbedingungen für eine gesundheitsfördernde Lebens- und Arbeitswelt der Bevölkerung zu schaffen.
Die Berücksichtigung dieser beiden Faktoren findet sich im sogenannten Determinantenmodell der Public-Health-Wissenschafter Göran Dahlgren und Margaret Whitehead. Dieses geht davon aus, dass Gesundheit neben den individuellen biologischen Faktoren und dem Verhalten des Einzelnen durch Nichtrauchen, Bewegung, ausgewogene Ernährung zu großen Teilen auch von sozialen Netzwerken, Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie von Umweltfaktoren und den allgemeinen sozioökonomischen und kulturellen Bedingungen geprägt wird.
Die Schweizer „Gesundheit2030“-Strategie wird als Beispiel genannt, wo dieser Ansatz praktische Anwendung findet: Diese „setzt ein übergeordnetes Ziel, das mit unterschiedlichsten Subprogrammen erreicht werden soll. Das reicht von Maßnahmen für gesundheitsförderliche Arbeitsplätze bis hin zur Entwicklung gesunder Lebensräume und der Verbesserung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung“, erläuterte Studienautorin Reinsperger. Wichtig für erfolgreiche NCD-Strategien ist dem AIHTA-Bericht zufolge außerdem, die Evaluierung bereits vor Implementierung von Programmen und Maßnahmen zu planen.
Die im Rahmen der Studie untersuchten Programme umfassen vor allem Präventions- oder Disease Management Programme, bei denen meist die Interaktion zwischen Patient und Gesundheitspersonal (z.B. Hausärztinnen und Hausärzte) im Fokus steht. Manche Länder wie Australien beschreiten mitunter unkonventionelle Wege, um die Gesundheitskompetenz und die Sensibilität der Bevölkerung für psychische Erkrankungen zu verbessern. Als Beispiel wurde hier das Programm „Mental Health First Aid“ genannt, bei dem neben Fachkräften auch die Bevölkerung für psychische Krankheiten sensibilisiert werden soll. Deklariertes Ziel ist es, das Wissen über psychische Erkrankungen generell zu steigern, damit auch Angehörige, Freunde, Nachbarn und Bekannte psychisch belasteten Menschen helfen können. (rüm)