Die Debatte über Lieferengpässe bei Arzneimitteln und deren Preise zeigt, wie abhängig Europa von Rohstoffen und Lieferketten aus anderen Teilen der Welt ist.
Antibiotika, Schmerzmittel und andere Medikamente fehlen. Was bisher von der Politik und Verantwortlichen kategorisch ausgeschlossen wurde, könnte jetzt in einigen Bereichen doch eintreten: Lieferengpässe werden zu Versorgungsengpässen. Deutschland reagiert mit Erhöhungen von Arzneimittelpreisen. Das könnte, so fürchten Beobachter:innen, die Versorgung in Österreich unter Druck bringen. Ganz so einfach ist es aber nicht, gibt es in Österreich ja auch einen gesetzlichen Versorgungsauftrag für Unternehmen. Und nur weil ein Land mehr zahlt, lassen sich nicht die ohnehin in ganz Europa knappen Produkte umlenken.
Die Situation zeigt aber deutlich, wie abhängig wir uns von Rohstoffen und Lieferketten aus anderen Teilen der Welt gemacht haben und wie teuer es wird, wenn es hier Probleme gibt. Das ist die Kehrseite der Globalisierung, die uns billige Produkte im Überfluss und den produzierenden Unternehmen dennoch satte Gewinne versprochen hat, weil man in Billigstlohnländern mit niedrigen Umweltstandards produzieren konnte. Wie also die Industrie zurückholen? Hohe Preise allein werden dazu nicht reichen. Die in Asien zu erzielenden Gewinne sind zu lukrativ. Zudem würden hohe Preise andere Bereiche des Gesundheitssystems – und hier vor allem den Personalbereich – unter Druck bringen würde. Denn nach wie vor gilt ja das Dogma, dass die Gesundheitsausgaben insgesamt nicht zu sehr steigen sollen.
Es wird auch um Rahmenbedingungen gehen und da tun sich gerade auch Chancen auf. Europa bezieht über 60 Prozent seiner pharmazeutischen Wirkstoffe aus China und Indien. In den USA liegt der Einfuhranteil bei etwa 35 Prozent. Nicht zuletzt, weil die USA auch als liberal galt. Doch auch dort kommt die Pharmabranche unter Druck: Ein Bundesgericht im US-Staat Texas hat dieser Tage die Zulassung des Abtreibungsmedikaments Mifepriston in den USA per einstweiliger Verfügung ausgesetzt. Sollte es die Zulassung verlieren, würde das auch für US-Staaten gelten, in denen Abtreibung erlaubt ist. Mifepriston wurde im Jahr 2000 in den USA zugelassen. Kritiker:innen befürchten, das Urteil könnte die Tür für weitere Verbote – etwa von Corona-Impfstoffen öffnen. Auch die gefeierten Gentherapien können dann in den USA wanken. Die EU-Kommission erarbeitet derzeit eine neue Arzneimittelstrategie. Es wird sich zeigen, welche Türen hier für eine bessere Versorgung aufgemacht werden und welche nicht. (rüm)