Die von Gesundheitsminister Rudolf Anschober im RELATUS-Interview angestoßene Debatte über eine Wirkstoffverschreibung gewinnt an Dynamik. ÖGK-Obmann Andreas Huss sprach sich im ZIB-Interview ebenfalls für eine solche Lösung aus und lässt gegenüber RELATUS mit neuen Vorschlägen aufhorchen.
„Wenn der Arzt in Zukunft nicht mehr den Medikamentennamen verschreibt, sondern den Wirkstoff, dann ist der Apotheker in seiner Ausgabe von Medikamenten wesentlich flexibler. Er müsste sich nicht auf einen Markennamen spezialisieren und beim Arzt nachfragen, wenn etwas nicht verfügbar ist“, sagte Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse Samstagabend in der „Zeit im Bild 1“. Im RELATUS-Gespräch konkretisiert er, dass dies eine lange Forderung der Sozialversicherung sei und er eine Initiative des Gesundheitsministers in jedem Fall unterstützen würde. Anschober hatte am Dienstag eine Debatte über die Wirkstoffverschreibung angeregt. Huss: „Ich spreche dem Minister Mut zu, das auch umzusetzen.“ Er räumt aber auch ein, dass er die Bedenken von Ärzten und Pharmaindustrie im Hinblick auf die wirkstoffgleiche Wirkung verstehe. Nachsatz: „Ich denke, wenn es in anderen Ländern gut funktioniert, stellt sich die Frage warum es in Österreich nicht auch funktionieren sollte.“
Im Hinblick auf Lieferengpässe und die während der Corona-Krise immer wieder diskutierte Abhängigkeit von China und Indien lässt Huss mit einem neuen Vorschlag aufhorchen um die Pharmaindustrie nach Europa zurück zu holen. Der Kassenobmann spricht sich für entsprechende Wirtschaftsförderungen aus, die an Hilfen für die Grundlagenforschung geknüpft werden. Die Kassen hätten deshalb in er Vergangenheit Druck auf niedrige Preise gemacht, weil man im Lauf der Jahre gesehen habe, dass die Industrie billig in Asien produzieren lasse, dreht er die Argumentation der Hersteller um. Diese argumentieren damit, dass man deshalb nach Asien ausweiche, weil die Gesundheitssysteme die Preise für Medikamente immer weiter nach unten drücken. Huss regt an, öffentliche Förderungen für die Forschung mit der Produktion in Europa zu verknüpfen. Wenn man Unternehmen bei der Entwicklung unter die Arme greife, wie etwa jetzt bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen und COVID-19-Medikamenten, müsse man auch darauf pochen, dass diese in Europa hergestellt werden. „Wir brauchen wirtschaftspolitische Ansätze im Bereich der Forschung und Produktion.“ Im Hinblick auf „Grauexporte und Grauimporte“ von Medikamenten spricht sich Huss für ein Verbot aus. „Die Pharmaindustrie versorgt die Märkte mit bestimmten Mengen. Wenn Großhändler und Apotheken das wieder ins Ausland verkaufen, sollte das verboten werden.“ (rüm)