Die im Rechnungshofausschuß des Nationalrates in Spiel gebrachte Wirkstoffverschreibung stößt auf heftige Ablehnung der Ärztekammer und der Industrie.
Die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Österreichischen Ärztekammer reagierte nach dem RELATUS-Bericht vom Dienstag sofort und hat noch am Mittwochvormittag eine Resolution zur vom Gesundheitsministerium wieder aufs Tapet gebrachten Wirkstoffverschreibung beschlossen. Auch die Industrie lehnt den Vorstoß von Minister Wolfgang Mückstein (Grüne) ab. Zustimmung kommt vom Apothekerseite. Raimund Podroschko, erster Vizepräsident der Apothekerkammer, kommentierte den RELATUS-Bericht mit den Worten: „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind in der Lage, die von BM Mückstein ins Spiel gebrachte Wirkstoffverschreibung umzusetzen, passt!“
Österreichs niedergelassene Ärzte lehnen hingegen die vom Rechnungshof und von Mückstein überlegte Einführung einer Wirkstoffverschreibung klar ab. Diese löse die Probleme der Medikamentenengpässe nicht, sondern verschärfe die bestehenden Probleme sogar. „Insbesondere gefährde die Wirkstoffverschreibung die Patientensicherheit und dient ausschließlich der Gewinnmaximierung der Apothekerschaft“, schrieben die Ärzte.
Immer wechselnde Präparate und Darreichungsformen würden erfahrungsgemäß die Patienten verwirren, reduzieren die Therapietreue und gefährden dadurch die Gesundheit der Patienten. „Nur dem Arzt ist die Gesamtsituation der Patientin oder des Patienten bekannt. Und dabei spielt nicht nur das Präparat, sondern auch die Darreichungsform eine wesentliche Rolle.“ Die Entscheidung des Apothekers, welches Produkt er abgibt, würde durch Gesichtspunkte wie Einkaufskonditionen und Rabatte beeinflusst werden. „Es ist zu befürchten, dass durch Nebenabsprachen einige Medikamente bevorzugt würden und dafür anderen die wirtschaftliche Basis entzogen würde – mit nachteiligen Auswirkungen auf die Versorgung. Ein Einsparungspotenzial ist daher nicht vorhanden.“ Die bestehenden Probleme bei der Versorgung mit exportanfälligen Arzneien, die für Parallelexporte geeignet sind, könnten sich weiter verschärfen. Ein häufiger Wechsel von Handelspräparaten habe auch negative Auswirkungen auf die Compliance und erhöhe das Risiko von Fehl- und/oder Mehrfacheinnahmen mit entsprechend ungünstigen Auswirkungen auf Patienten und ihren Krankheitsverlauf.
Ähnlich argumentiert die Pharmaindustrie: Wirkstoffverschreibung verunsichere Patienten und gefährde den Arzneimittelschatz, weil gewisse Produkte vom Markt verschwinden. Am Ende würde die Einkaufsstrategie der Apotheke darüber entscheiden, welches Arzneimittel der Patient erhält. „Wir sind ganz entschieden gegen eine Änderung der bisher gelebten Praxis, und zwar aus gutem Grund. Müssen beispielsweise Patientinnen und Patienten aufgrund einer Erkrankung langfristig Medikamente einnehmen, so wird ihnen bei dieser neuen Regelung in der Apotheke mitunter jedes Mal ein anderes Präparat ausgehändigt. Zwar mit gleichem Wirkstoff, aber von einem anderen Hersteller, mit anderem Namen und in einer anderen Packung. Das fördert keineswegs die sogenannte Adhärenz“, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig.
Auch der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) lehnt die Idee ab. Nicht mehr der Arzt würde über die passende Behandlung eines Patienten entscheiden, sondern der Apotheker. „Damit rücken die ökonomischen Interessen der Apotheker als Auswahlkriterium ins Zentrum.“ Auch auf die Herstellung von Arzneimitteln in Österreich würde sich die Wirkstoffverschreibung negativ auswirken, da viele Produzenten einen weiteren Preisdruck wirtschaftlich nicht verkraften könnten. Denn anders als in den meisten europäischen Märkten existiert in Österreich für sowohl für Generika als auch Originalhersteller bereits jetzt ein sehr striktes gesetzliches Preisregime. Die Wirkstoffverschreibung würde dazu führen, dass weitere Präparate vom Markt verschwinden und Lieferschwierigkeiten entstehen, kommentiert FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger die aktuelle Diskussion. (rüm)