ÖVP und Grüne wollen das Primärversorgungsgesetz ändern. Sie hoffen so, den Ausbau der ärztlichen Versorgung gerade am Land beschleunigen zu können. Die Details sorgen für Lob der Opposition und Kritik der Ärztekammer.
Schneller und wohnortnaher Zugang zu medizinischer Versorgung für Patient:innen, zeitgemäße Arbeitsbedingungen für Ärzt:innen, spürbare Entlastung des ambulanten Bereichs: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle präsentierten am Donnerstag überraschend die geplante Novellierung des Primärversorgungsgesetzes unter dem Schlagwort „Projekt Landarzt“. „Wir wollen die Zahl der Primärversorgungseinrichtungen in den kommenden Jahren verdreifachen“, kündigt Rauch an. Mit der Novelle sollen Primärversorgungseinrichtungen deutlich schneller errichtet werden. Die Ärztekammer wird dabei ausgebremst.
Der Plan: Sind in einer Versorgungsregion zwei Stellen von Allgemeinmediziner:innen oder Kinderärzt:innen unbesetzt, haben Ärztekammer und Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) künftig sechs Monate Zeit, neue Ärzt:innen zu finden. Gelingt das innerhalb der Frist nicht, können Landesregierung und ÖGK gemeinsam eine Primärversorgungseinrichtung ausschreiben. Konnte die Ärztekammer dabei bisher noch mitreden, fällt diese Möglichkeit künftig weg. Neu zudem: Neben Allgemeinmediziner:innen können sich künftig auch Kinderärzt:innen für Primärversorgungseinrichtungen bewerben. Auch Ärzt:innen, die noch keinen Kassenvertrag haben, können sich nach der Gesetzesänderung an der Gründung beteiligen. Mangelberufe wie Gynäkolog:innen werden bei der Gründung ebenfalls bevorzugt. Statt bisher drei praktischen Ärzt:innen mit Kassenvertrag und einer Pflegekraft sollen in Zukunft auch ein Kassenarzt, ein Wahlarzt und eine Pflegekraft eine PVE gründen können.
Gefragt, ob man im Vorfeld mit der Ärztekammer über diese Entmachtung gesprochen habe, antwortete Smolle: „Ich glaube, dass es gerade hier, in solchen Fragen, nicht um Fragen der Macht gehen soll und gehen darf.“ Es sei „ein sehr transparenter Weg gewählt worden, der durchaus die Mitwirkung der Ärztekammer auch wesentlich weiter berücksichtigt“, befand er. In der „Sondersituation, wenn es irgendwo nicht und nicht möglich ist, die Versorgung sicherzustellen mit den ausgeschriebenen Kassenstellen“, ziehe dann „tatsächlich ein gewisser Automatismus“ ein. Aber, betonte Smolle, die Ärztekammer sei „immer herzlich eingeladen, die Kassenstellen zu befüllen“ und an der Errichtung von PVE mitzuwirken.
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), die SPÖ und die NEOS begrüßen den Vorstoß. Details würden im Rahmen der Begutachtung geklärt werden. Die ÖGK sieht PVE als das Modell der Zukunft, das auch von jungen Ärzt:innen sehr gut angenommen wird. Vereinfachungen bei der PVE-Gründung sieht die ÖGK positiv. Junge Ärzt:innen würden lieber in Teams zusammenarbeiten, die Möglichkeit mit einem PVE in den Kassenvertrag einzusteigen und so gleich ein sicheres Einkommen zu haben, wiege das unternehmerische Risiko einer Praxisgründung auf und mache das Modell PVE noch attraktiver.
Und was sagt die Ärztekammer? „Reinen Aktionismus“ ortet Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Die Pläne wirken für ihn „alles andere als durchdacht“, denn: „Wenn die Rahmenbedingungen so unattraktiv sind, dass sich keine Ärztinnen oder Ärzte finden, dann wird auch eine PVE keinen Turbo einlegen können. Das wird eine Fehlzündung“, sagt Steinhart. Er stört sich auch an der Vorgangsweise: „Dieses Drüberfahren, nachdem wir öffentlich unsere Hand ausgestreckt und zu Gesprächen eingeladen haben, ist kein angemessener Stil.“ Der Vorwurf, dass die Ärztekammern Schuld an der aktuell zu niedrigen PVE-Zahl in Österreich seien, sei nicht nachzuvollziehen. „Die Ärztekammern haben auch bisher ihr Bestes getan, um die Gründung von PVE zu erleichtern“, hält der ÖÄK-Präsident fest. Die konsensorientierte Zusammenarbeit von Ärztekammern und Kassen bei der Besetzung von Kassenstellen habe lange Zeit einwandfrei funktioniert, betont Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Dass man dieses Vorgehen nun für ein paar billige Punkte und Wunschträume opfert, ist ein Affront.“ (rüm)