Blutverdünner können bei COVID-19-Patienten das Sterberisiko deutlich senken. Das berichten US-Mediziner nach einer Studie mit knapp 4.400 Teilnehmern im „Journal of the American College of Cardiology“.
Bereits im Frühjahr gab es in der wissenschaftlichen Literatur immer mehr Hinweise auf mit COVID-19 vermehrt auftretende Blutgerinnungsstörungen mit Thromboembolien und Mikrozirkulationsstörungen, Mitte Mai wurde zudem der Fall eines Patienten im Spital Emmental in der Schweiz im internationalen Fachmagazin „Thrombosis Research“ publiziert, bei dem blutverdünnende Medikamente zur Anwendung kamen. In der aktuellen Studie wurde festgestellt, dass das Risiko für eine künstliche Beatmung um etwa 30 Prozent reduziert wird, wie die Gruppe um Valentin Fuster vom Mount Sinai Hospital in New York schreibt.
„Als Ärztin, die COVID-19-Patienten an vorderster Front behandelt hat, weiß ich, wie wichtig es ist, Antworten darauf zu haben, was die beste Behandlung für diese Patienten bedeutet“, wird Ko-Autorin Anuradha Lala in einer Mitteilung der Klinik zitiert. Sie und ihre Kollegen hatten Patientendaten von März und April aus fünf Krankenhäusern der Mount Sinai-Gruppe in New York analysiert. Dabei teilten sie die insgesamt 4.389 Patienten in drei Gruppen ein: Eine Gruppe erhielt keine Blutverdünner, die zweite bekam derartige Präparate zur Behandlung. Der dritten Gruppe wurde eine geringere Dosis Blutverdünner zur Vorsorge verabreicht. Zwar starben knapp 29 Prozent jener Patienten, die therapeutisch mit Blutverdünnern behandelt worden waren. In jener Gruppe, die keine solchen Arzneien bekam, waren es knapp 26 Prozent. Berücksichtigen die Forscher aber Vorerkrankungen und andere Gesundheitsfaktoren der Teilnehmer, war das Sterberisiko der therapeutisch mit Blutverdünnern behandelten Patienten um 47 Prozent geringer. In jener Gruppe, die präventiv mit derartigen Medikamenten versorgt wurde, war das Risiko um 50 Prozent reduziert. Zusätzlich sank bei jenen beiden Gruppen, die Blutverdünner bekamen, auch das Risiko, künstlich beatmet werden zu müssen – um 31 Prozent bei den therapeutisch behandelten Menschen, um 28 Prozent bei den präventiv behandelten. Ernsthafte Komplikationen durch Blutungen, wie sie die Einnahme von Blutverdünnern begünstigen kann, gab es bei drei Prozent der therapeutisch Behandelten. In den beiden anderen Gruppen lag der Anteil unter zwei Prozent.
Zusätzliche Hinweise darauf, dass Blutverdünner für COVID-19-Patienten sinnvoll sein können, erbrachten 26 Autopsien von Menschen, die an COVID-19 gestorben waren. Bei elf davon fanden die Mediziner Hinweise auf Thrombosen – verursacht durch Blutgerinnsel, die Blutverdünner wahrscheinlich hätten verhindern können. „Mit Ausnahme eines Schlaganfalls gab es vor der Autopsie keinen Verdacht auf eine thromboembolische Erkrankung. Das deutet darauf hin, dass klinische Einschätzungen die tatsächliche Belastung durch thromboembolische Erkrankungen möglicherweise unterschätzen“, schreiben die Forscher. Für Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Berlin, ist das Ergebnis keine Überraschung: „In den Kliniken ist schon lange bekannt, dass thromboembolische Ereignisse eine häufige Komplikation bei COVID-19 sind.“ Behandlungsempfehlungen dazu seien bereits im Juni in einer Leitlinie zahlreicher Fachgesellschaften zur intensivmedizinischen Therapie von COVID-19-Patienten veröffentlicht worden. Dennoch lobt Janssens die großen Datenmengen der aktuellen Studie. (APA)
Zur Studie: onlinejacc.org/content/early/2020/08/24/j.jacc.2020.08.041