Die Zahl der Corona-Schutzimpfungen in Österreich geht stark zurück. In der abgelaufenen Woche gab es 58.998 Erstimpfungen (Montag – Samstag), in der Woche davor waren es im gleichen Zeitraum noch 112.861 Erstimpfungen.
Mit Stand Samstag haben 4.033.347 Menschen in Österreich eine vollständige Grundimmunisierung erhalten. Insgesamt wurden bisher 9.001.187 Impfdosen verabreicht, 5.135.349 Menschen sind teilimmunisiert, teilte das Gesundheitsministerium mit. Allerdings gehen die Erstimpfungen deutlich zurück und haben sich binnen einer Woche fast halbiert. Angesichts der mittlerweile wieder stark steigenden Infektionszahlen hat die Regierung daher zuletzt vor allem die jungen Menschen zur Impfung aufgerufen. Laut Zahlen der AGES gab es in der Vorwoche die meisten Neuansteckungen in der Altersgruppe zwischen 15 und 24, mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von fast 45 Infektionen pro 100.000 Einwohnern. Das ist dreimal so hoch wie im Durchschnitt (15 Infektionen pro 100.000 Einwohner). Simulationsforscher Martin Bicher von der TU Wien warnt vor dem „Überschwappen“ auf vulnerable Altersgruppen und erinnert an die Entwicklung im Vorjahr.
„Wir rechnen zwar damit, dass dieses Überschwappen durch die Impfquoten in den vulnerablen Altersgruppen langsamer vonstattengehen wird, passieren wird es aber wohl“, lautet die Annahme von Bicher, der auch im Prognosekonsortium des Gesundheitsministers sitzt. Er verweist dabei auf die aktuellen Intensivbelagszahlen aus Großbritannien, die inzwischen mit leichter Verzögerung langsam steigen. Würde dies auch in Österreich erfolgen, so habe sich im Vergleich mit dem Vorjahr „eigentlich nichts an den Kapazitätslimits geändert“, und da wurde es mit rund 2.000 bis 4.000 täglichen bestätigten Neuinfektionen „langsam enger“, und bei spätestens 7.000 ging es in die Nähe der Auslastungsgrenze. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) äußerte erneut die Meinung, dass nicht die Inzidenzen, sondern die Hospitalisierungszahlen entscheidend seien. Dem hält der Simulationsforscher entgegen, dass sowohl Belags- wie im weiteren Verlauf auch die Todeszahlen immer erst mit einem starken Zeitverzug zu den Inzidenzen gestiegen sind, „darum ist neben dem Monitoring der Belagszahlen natürlich auch jenes der Inzidenzen entscheidend“.
„Vollständig überholt“ habe sich in Anbetracht der Delta-Variante der alte Ansatz, dass 66 Prozent reichen würden, hält Bicher fest. „Durch die Varianten ist auch die Basisreproduktionszahl gestiegen. Sie dürfte aktuell wohl in der Nähe von sechs liegen“. Des weiteren gehe es nie nur um Geimpfte, sondern stets um Immunisierte, und „ob diese Immunität nun durch Impfung oder Vorerkrankung erworben wurde, spielt hierbei keine Rolle“. In diesem Licht, würde eine Immunisierungsrate von 70 bis 80 Prozent wohl auch nicht ausreichen um eine Welle zu verhindern, „aber sie wird voraussichtlich dazu beitragen, dass sie klein genug bleibt, um ohne Maßnahmen das Überlasten des Systems zu verhindern“. Erst eine Durchimpfungsrate von etwa bis zu 85 Prozent werde in etwa ausreichen, um das Virus hinreichend einzudämmen, hob Bicher unter Hinweis auf das „Policy Briefing“ des Prognosekonsortiums hervor.
Gesucht sind nun Konzepte, um die Impfquote zu erhöhen. Der oberösterreichische Ärztekammer-Präsident Peter Niedermoser plädierte am Wochenende dafür, dass Corona-Tests ab Herbst nicht mehr gratis angeboten werden. Da sich mittlerweile jeder kostenlos impfen lassen könne, brauche es nicht mehr zwei Gratisschienen. „Am Ende darf es nicht so sein, dass die Gesellschaft für den Impfunwillen Einzelner aufkommen muss“, kritisierte Niedermoser am Freitag. Ausnahmen solle es für jene geben, die sich nicht impfen lassen dürfen. Die Entscheidung der Bundesregierung, dass ab 22. Juli der Zutritt zur Nachtgastronomie nur mehr mit Impfung oder PCR-Test erfolgen darf, sehe er als „guten und richtigen Schritt“. (red/APA)