Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will neue Wege im Umgang mit Corona gehen. Im Interview zum Jahreswechsel spricht er über die Weiterentwicklung von Behandlungsmöglichkeiten.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) setzt im Umgang mit Corona und den gesundheitlichen Folgen auf Forschung und Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten. Dies betreffe sowohl die akute Erkrankung, aber auch Langzeitfolgen. Generelle Maßnahmen oder Verordnungen der Bundesregierung werde es – „Stand heute“ – keine mehr geben: „Ich kann die Sehnsucht von allen verstehen, die die Nase voll haben von Covid“, betonte der Minister im APA-Jahresabschluss-Interview. „Ich habe immer gesagt, die Pandemie wird verschwinden oder sich verändern oder weniger werden – aber das Virus wird bleiben. Also es wird einfach jede Saison da sein, so wie die Grippe auch.“ Und es mache natürlich in gewissen Situationen Sinn, etwa eine Maske zu tragen.
Einschränkungen von Freiheitsrechten wie in der Vergangenheit seien jedoch nur gerechtfertigt, wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Man habe gute Instrumente – etwa das Abwasser-Monitoring und das SARI-Dashboard: „Wir wissen, was sich in den Spitälern abspielt.“ Österreich sei weit von einer Überlastung des Gesundheitssystems entfernt – mit laut Rauch aktuell rund 1.200 Covid-19-Patient:innen in den Spitälern, auch jetzt in der bisher mit Abstand größten Welle an Ansteckungen. Jeder Gesundheitseinrichtung bleibe es freilich selbst überlassen, im Rahmen der Hausordnung Maßnahmen wie beispielsweise eine Maskenpflicht zu erlassen.
Bezüglich der möglichen Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion verwies der Minister auf die gesetzten Maßnahmen und erwartet weitere Forschungsergebnisse. Die vom Obersten Sanitätsrat empfohlenen Schritte werde man alle umsetzen, sprach Rauch etwa das geplante Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen an (wie etwa Long/Post Covid oder ME/CFS). „Was die Langzeitwirkung angeht, da ist die Forschung einfach offen. Da differieren die Zahlen der Long-Covid-Betroffenen von fünf Prozent bis 40 Prozent, wobei ich die fünf Prozent für zu niedrig halte, die 40 für zu hoch, aber das ist meine Meinung.“ Man müsse abwarten, wo die wissenschaftliche Evidenz dann landet.
„Faktum ist, das sei schon auch gesagt: Man kann einfach nicht sagen, es existiert kein Long Covid oder ME/CFS ist eine Erkrankung, die quasi nur eine psychosomatische ist“, sprach der Minister auch die in Teilen der Wissenschaft noch schwelende Diskussion um eine somatische Ursache der Erkrankung an. Befürchtungen, dass der niedergelassene Bereich mit der Behandlung von Long Covid- bzw. Post Covid- oder ME/CFS-Patient:innen überfordert sein könnte, wies Rauch zurück. So erinnerte er etwa an ein von der Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), Susanne Rabady, entwickeltes Tool für die niedergelassene Ärzteschaft, mit dem man „online sozusagen Symptomatiken abchecken kann“. Das bedeute, die Information der Ärzt:innen finde „sehr niederschwellig statt“, betonte Rauch. Und es gebe auch Fort- und Weiterbildung auf Kongressen.
Um der geringen Impffreudigkeit der Österreicher:innen – vor allem bei Covid, aber etwa auch Influenza – entgegenzuwirken, will Rauch vor allem auf Bewusstseinsbildung setzen. Es brauche einen „Kampf gegen die Wissenschaftsfeindlichkeit“ im Land. „Das sehe ich schon, weil ja manche der Meinung sind, die Erde ist eine Scheibe und Impfen nützt nichts“, sagte er – auch mit Blick auf die FPÖ. „Mit dem Unfug muss man aufräumen, dem muss man entgegenstehen und das tun wir auch.“ Eine Notwendigkeit für eine größere Impfkampagne wie sie es in der Anfangsphase der Corona-Pandemie gegeben hatte, sieht Rauch aber nicht: „Das ist schlicht der Erfahrung geschuldet, dass große Kampagnen nicht wirklich etwas bewegen.“ (red/APA)