Eine Diskussion über die Anhebung der Altersgrenze über 70 Jahre für Kassenärzt:innen, sorgt für Diskussionen. Nicht einig ist sich die Ärztekammer.
Die politische Diskussion über Arbeiten auch in höherem Alter hat jetzt auch die Ärzteschaft erreicht. Die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, fordert, dass Kassenärzt:innen auch über die derzeitige gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren hinaus arbeiten können sollen. „Die Altersgrenze ist nicht nur diskriminierend, sondern auch kontraproduktiv“, sagt Korosec unter Hinweis auf den Mangel an Ärzten mit Kassenvertrag. Das 2009 von der ÖVP mitbeschlossene Gesetz, als es noch Ärzteüberschuss gab, gehöre weg. Die Seniorenbund-Präsidentin verweist darauf, dass eine Pensionierungswelle anstehe und es vor allem am Land schwer sei, Kassenstellen nachzubesetzen.
Die Ärztekammer ist zu dem Thema allerdings gespalten. „Es gibt eine Versorgungsproblematik. Wir überlegen, die Altersgrenze aufzuheben. Und zwar rasch“, sagt Edgar Wutscher, Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzt:innen in der ÖÄK. „Warum sollen sie mit 70 aufhören, wenn sie weitermachen können und wollen“, fragt Wutscher. Aus der Wiener Ärztekammer kommt allerdings Ablehnung. Beide Vizepräsidenten der Ärztekammer für Wien, Erik Randall Huber, Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte und Stefan Ferenci, Obmann der Kurie angestellte Ärzte, sprechen sich klar für die Beibehaltung der aktuellen Regelung aus.
„Ich halte die derzeitige Gesetzeslage für vernünftig“, sagt Huber. „Ältere Kolleginnen und Kollegen sollten ihre Pension genießen. Umgekehrt ist es wichtig, dass wir den jungen Ärztinnen und Ärzten eine Chance geben, eine Kassenstelle zu erhalten.“ Was die Situation in Mangelfächern angeht, oder bei schwierigen Nachbesetzungen im ländlichen Raum, so würde es schon jetzt die Möglichkeit geben, über das Alter von 70 Jahren hinaus zu arbeiten. Huber: „Wir haben hier eine gute Regelung mit der Österreichischen Gesundheitskasse. Dabei sollte es bleiben.“ Ferenci argumentiert ähnlich: „Ich trete dafür ein, die Arbeitsbedingungen sowohl im angestellten als auch im niedergelassenen Bereich so zu gestalten, dass die Jungen wieder oder weiter gerne den Arztberuf ausüben.“
Ablehnung kommt auch von der Sozialversicherung. Dachverbands-Chef Peter Lehner lehnt eine gesetzliche Änderung der Altersgrenze von 70 Jahren ab. Ziel sei es, freie Kassenstellen mit jüngeren Ärzten zu besetzen. Wo es nicht möglich sei, Kassenstellen an jüngere Ärzte zu vergeben, gebe es aber auch jetzt schon Ausnahmeregelungen, damit Ärzte die Altersgrenze überschreiten können, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Man versuche hier im Sinne der Patienten so flexibel wie möglich zu sein, betonte Lehner.
Ganz ähnlich argumentiert auch der Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Bernhard Wurzer. Auch er verweist gegenüber der APA darauf, dass es bereits jetzt die Möglichkeit für Vertragsärzt:innen gebe, über das Alter von 70 Jahren hinaus zu arbeiten. „Dort, wo wir akute Nachbesetzungsprobleme sehen, ist eine Vertragsverlängerung natürlich möglich. Aber das ist aus unserer Sicht eine Akutmaßnahme: Wir wollen langfristige Lösungen, um junge Medizinerinnen und Mediziner für die Niederlassung zu gewinnen.“
Skeptisch reagierte auch das Gesundheitsministerium. Die Aufhebung der Altersgrenze für Vertragsärztinnen und -ärzte„kann sicher nicht die alleinige Lösung für den Mangel an Kassenärzt:innen in Österreich sein“, hielt das Ressort von Minister Johannes Rauch (Grüne) in einer schriftlichen Stellungnahme fest. Grundsätzlich mangle es nicht an Ärzt:innen, im öffentlichen System gebe es lediglich Nachbesetzungs- und Verteilungsprobleme, da Mediziner zunehmend als Wahlärztin oder Wahlarzt tätig sind. (rüm/APA)