Zwei neue Publikationen haben die Wirkung von Zuckersteuer auf Getränke analysiert. Die Ergebnisse weichen allerdings voneinander ab. RELATUS hat beide analysiert.
In Österreich leidet jedes vierte Mädchen und jeder dritte Junge an Übergewicht oder Adipositas. Eine richtig implementierte Zuckersteuer auf Getränke würde sich positiv auf die Gesundheit, besonders jene von Kindern, auswirken. Das bestätigt eine neue Studie, die vom Gesundheitsministerium bei der GÖG beauftragt und nun veröffentlicht wurde. Der größte Effekt ergibt sich, wenn die Einnahmen für gesunde Lebensmittel bzw. gesundheitsfördernde Maßnahmen zweckgewidmet werden. „Viele Getränke, die speziell für Kinder vermarktet werden, enthalten Unmengen an Zucker. Dadurch erhöht sich ihr Risiko, an Karies, Adipositas oder Diabetes zu erkranken deutlich“, betont Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). „Eine Zuckersteuer wäre auch in Österreich sinnvoll. Das zeigen die positiven Erfahrungen anderer Länder.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat für den Kampf gegen Übergewicht und Adipositas erst Anfang vergangenen Jahres einen eigenen Aktionsplan präsentiert. Er empfiehlt die Kennzeichnung von Lebensmitteln und Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor den schädlichen Auswirkungen der Lebensmittelwerbung. Auch die Einführung einer Zuckersteuer auf zuckerhaltige Getränke empfiehlt die WHO. Eine solche Steuer wurde seit 2010 von über 70 Staaten, Regionen und Gemeinden weltweit eingeführt.
Die GÖG-Studie analysiert bestehende Modelle der Steuer und vergleicht internationale Studien und Erfahrungen. Das Ergebnis: Die Einführung einer Zuckersteuer hätte auch in Österreich große Vorteile für die Gesundheit, insbesondere von Kindern. Zu erwarten sind: Reduktion des Auftretens von nicht-übertragbaren Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen , Reduktion von Karies, Reduktion der Spitalsaufenthalte von Kindern und Jugendlichen aufgrund von Asthma sowie geringere Kosten für das Gesundheitssystem. Ab einer Preiserhöhung von mindestens 10 Prozent werde eine signifikante Wirkung auf das Konsumverhalten erzielt. Wichtigste Begleitmaßnahme ist die Zweckwidmung der Steuer, zum Beispiel für Gesundheitsförderung oder Subvention von gesunden Lebensmittel, um vor allem für einkommensschwache Menschen zu unterstützen. Die größten Erfolge können laut Studie durch eine gestaffelte Zuckersteuer erzielt werden.
Die Österreichische Diabetes Gesellschaft wiederum berichtet von einer Analyse, bei der das Special Institute for Preventive Cardiology and Nutrition (SIPCAN) untersucht hat, wie sich die britische zuckersteuer auf Softdrinks ausgewirkt hat. Das Fazit dort: die Zuckersteuer erwirkte eine Kalorieneinsparung aus dem Getränkekonsum bei nur rund 1 % der empfohlenen täglichen Gesamtenergieaufnahme. Die Einführung der Zuckersteuer hatte zur Folge, dass 93,5 % aller Erfrischungsgetränke weniger als 5 g Zucker enthalten und somit von der Zuckersteuer befreit sind. Um die Besteuerung zu vermeiden, setzt die britische Getränkeindustrie intensiv auf den Einsatz von Süßstoffen. Der Einsatz von Süßstoffen bringe viele Probleme mit sich. So fehle für die Konsument:innen jegliche Orientierung, wie süß süßstoffhaltige Getränke tatsächlich sind. „Eine Reformulierung mit Süßstoffen kann daher auch eine gesteigerte Süße zur Folge haben. Süßstoffe sind weiters kein adäquates Mittel zur Gewichtsreduktion oder um den Lebensstil allgemein zu verbessern. Des Weiteren werden sie mit Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.“ Die Zuckersteuer hätte keine Reduktion der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas zur Folge gehabt. „Im Gegenteil, die Prävalenz stieg sowohl für Erwachsene als auch für Kinder kontinuierlich weiter an.“ Im Gegensatz zum britischen Weg bewirke die in Österreich angewandte graduelle Zuckerreduktion eine echte Verringerung der Süße, bei der der Zucker nicht durch Süßstoffe ersetzt wird, schreiben die Autor:innen. Partner von SIPCAN sind öffentliche Institutionen, Ministerien und Universitäten; Sponsoren sind nach eigenen Angaben der Lebensmittelriese Spar, der Getränkehersteller Rauch, Nestle und andere Lebensmittelhersteller.
Die Konsument:innenorganisation „foodwatch“ fordertjedenfalls die Einführung einer „Kracherl-Steuer“ in Österreich. Mit dieser Sonderabgabe sollen die gesundheitlichen Folgen von zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken wie Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingedämmt werden. foodwatch hat eine Petition gestartet, um den Druck auf die Politik zu erhöhen.
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