Die Regierung hat weitere Teile der Gesundheitsreform vorgelegt. Im Zentrum steht ein Ausbau der niedergelassenen, ärztlichen Versorgung.
Die Bundesregierung fixiert als Maßnahme gegen die Probleme im Gesundheitsbereich wie schon mehrfach angekündigt 100 neue Kassenarztstellen bis Jahresende. Dafür soll vor allem ein Start-Bonus von bis zu 100.000 Euro für die Ausstattung der Kassenstellen eingeführt werden, hieß es nach dem Sommerministerrat am Dienstag. Vor allem Praxen für Gynäkologie, Kinder- und Jugendheilkunde sowie Allgemeinmedizin sollen gefördert werden. Auch geplant ist die Schaffung eines Facharztes für Allgemein- und Familienmedizin. Zudem sollen im Rahmen von Ärzte-Bereitstellungsdiensten voll ausgestattete Ordinationen zur stundenweisen Nutzung an Ärzt:innen überlassen werden. Das Maßnahmenpaket, das nun im Sommerministerrat im Kanzleramt beschlossen wurde, kostet bis zu 200 Millionen Euro. Eine entsprechende Novelle des Ärztegesetzes wird im Sommer in Begutachtung geschickt.
Wieder verlängert wird wie berichtet das Projekt „Gesund aus der Krise“ zur psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Damit sollen zusätzlich 10.000 Kinder und Jugendliche kostenlose psychologische Unterstützung und Psychotherapie erhalten. Um den Bedarf an psychosozialer Versorgung besser zu decken, sollen klinisch-psychologische Behandlungen sozialversicherungsrechtlich der Psychotherapie gleichgestellt werden. Die Ausbildung für Psychotherapeut:innen soll künftig an Universitäten angeboten werden.
Um schwere Erkrankungen zu verhindern und früh zu behandeln, will man Präventionsprogramme ausbauen, etwa mittels Anreizen, regelmäßig eine Vorsorgeuntersuchung zu machen. Geplant ist auch der Aufbau eines bundesweiten Darmkrebs-Screening-Programms. Außerdem will die Regierung ein Pilotprojekt zur digitalen Begleitung chronisch Kranker starten. So sollen etwa Menschen mit chronischen Krankheiten, Diabetes oder Migräne einen digitalen Begleiter (z.B. über eine Handy-App) erhalten, der sie im Alltag unterstützt und Symptome dokumentiert. Dazu soll ein Pilotprojekt zur Prüfung, Implementierung und Erstattung von Digitalen Gesundheitsanwendungen für die Versorgung chronisch kranker Patient:innen unter hohen datenschutzrechtlichen Standards aufgesetzt werden.
Die Maßnahmen werden das Gesundheitssystem nachhaltig stärken, zeigte ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle erfreut. „Das österreichische Gesundheitssystem wird damit weiter verbessert. Wir setzen Schritte, um den laufenden Herausforderungen auch in Zukunft gerecht werden zu können“, sagte der ÖVP-Abgeordnete. Er wies darauf hin, dass bereits mit der Novelle des Primärversorgungsgesetzes Anfang Juli ein wichtiger Schritt im Nationalrat gesetzt wurde. „Ziel ist es, die Zahl der Primärversorgungseinheiten in Österreich maßgeblich zu erhöhen.“
Ähnlich klingt der Grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner: „Das Gesundheitssystem ist durch die jahrzehntelange Untätigkeit von zuständigen Minister:innen in der Vergangenheit leider in Mitleidenschaft geraten. Die Auswirkungen bekommen die Menschen im Land aktuell zu spüren. Das heute von der Bundesregierung präsentierte Paket gibt dabei wichtige weitere Richtungsentscheidungen vor. Diese bringen eine rasch spürbare Verbesserung für die Bevölkerung.“ Ein starker niedergelassener Bereich entlaste am Ende auch die Spitäler und Ambulanzen. Entsprechend brauche es hier auch die Bereitschaft aller Stakeholder, verkrustete Strukturen hinter uns zu lassen, betont Schallmeiner. „Der Ansatz der Bundesregierung ist jedenfalls einer, der schnell greifen kann und auch wird, und nicht wie andere am Tisch liegende Vorschläge andere Berufe beschneiden will.“ Nachsatz: Er erwarte sich „von den Stakeholdern im Gesundheitswesen – von der Ärztekammer über die Länder bis hin zur Sozialversicherung“ – dass man die Herausforderungen angehe, Strukturen verändere und nachhaltige Lösungen anstrebe. (rüm/APA)