Nachdem Ende des Vorjahres bereits eine Einigung im Raum stand, ist beim Eltern-Kind-Pass nun wieder alles anders: Die Ärztekammer droht erneut mit Vertragskündigung.
Bei den bisherigen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gibt es erneut Konflikte zwischen Gesundheitsministerium und Ärztekammer. Seit Ende der 1990er-Jahre war an den Tarifen für die Ärzt:innen nichts mehr geändert worden. Das hatte für großen Ärger bei den Ärztevertreter:innen gesorgt. Es wurde mit Vertragsausstieg gedroht, was der bereits im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen festgeschriebenen Reform der Maßnahme einen großen Schub verlieh. Der Bund legte ein Budget fest, Kammer und Sozialversicherung begannen zu verhandeln. Nun ist die Ärztekammer der Ansicht, dass sich mit den zugesagten 17 Millionen Euro Budget des Bundes keine Valorisierung um 77%, sondern nur um 62,5% ausgeht, berichteten die „Salzburger Nachrichten“ am Dienstag. Die Österreichische Ärztekammer bestätigt und versichert: Man habe sich nicht verrechnet, Ausgangsbasis der Rechnungen sei der Jänner 2022 gewesen und nun komme die Inflation dazu. Mitte März soll die Bundeskurie nun über eine Vertragskündigung entscheiden. Im Gesundheitsministerium ist man überrascht.
„Der zur Verfügung stehende Topf beruht auf einer Einschätzung des Dachverbands vom Jänner 2022, seitdem ist – wie wir wissen – viel passiert, was zu einer monatlich steigenden Inflation geführt hat“, sagt Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Daher fehlen nun vier Millionen Euro. Statt „intensiver“ Vorgespräche habe das Ministerium sich rausgehalten, obwohl der Mutter-Kind-Pass sich zu zwei Drittel aus dem Familienlastenausgleichsfond und nur zu einem Drittel aus der Sozialversicherung finanziere. Dachverband und Ärztekammer seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Bei den niedergelassenen Mediziner:innen deute nun alles auf eine Kündigung des Eltern-Kind-Passes hin, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Sebastian Pagitsch, Fachgruppenobmann der Gynäkologen in Salzburg. In Salzburg und mehreren anderen Bundesländern sind laut „Salzburger Nachrichten“ viele Ärzt:innen der Meinung, dass man jedenfalls kündigen sollte. Bei Kuriensitzungen in den Bundesländern stehen in dieser Woche Automatismen zur Diskussion: So könnte beschlossen werden, dass die Landesärztekammern auch ohne einen Beschluss im Bund kündigen werden.
Einen Automatismus habe man in Salzburg bereits beschlossen, sagt Christoph Fürthauer, Vizepräsident der Salzburger Ärztekammer. Der besage, dass man bei einem Verhandlungsergebnis, das nicht den Wertverlust ausgleicht, eine Befragung über die Kündigung abhalten werde. „Es könnte aber sein, dass sich am Donnerstag herausstellt, dass die Stimmung so eindeutig ist, dass gar keine Befragung mehr nötig ist.“ Die Ärztekammer hat das Gesundheitsministerium bereits schriftlich über die Möglichkeit des Ausstiegs beim Eltern-Kind-Pass informiert. Dort zeigte man sich über die Vorgangsweise überrascht. Immerhin seien dem Beschluss im November intensive Vorgespräche vorausgegangen. Mit der Ärztekammer habe man damals das Budgetvolumen definiert. Das Gesundheitsministerium werde sich um eine gemeinsame Lösung bemühen.
Vonseiten des Dachverbands der Sozialversicherungen wollte man die noch laufenden Verhandlungen nicht kommentieren, verwies aber darauf, dass der Rahmen vom Ministerium vorgegeben sei. Andreas Huss, Arbeitnehmerobmann der Österreichischen Gesundheitskasse, erinnerte an die aus seiner Sicht eigenartige Position der Sozialversicherungen in dieser Angelegenheit. Immerhin habe man die undankbare Aufgabe, wegen des vorgegebenen Rahmens ein fertiges Ergebnis zu verhandeln. „Aus unserer Sicht beinhaltet der Eltern-Kind-Pass ohnehin zu wenig. Wir wollen dort auch die Kinderzähne und eine logopädische Erstabklärung mit drinhaben.“ (red/APA)