Expert:innen warnen vor „Pandemie der Kurzsichtigkeit“

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Vor allem unter Kindern breitet sich Kurzsichtigkeit weltweit immer weiter aus. Eine aktuelle Studie liefert neueste Daten, Expert:innen fordern bessere Prävention und warnen vor Mythen. 

Laut einer vor kurzem im „British Journal of Ophthalmology“ veröffentlichten Metastudie ist bereits jedes dritte Kind weltweit von Kurzsichtigkeit (Myopie) betroffen. Die Auswertung von 276 Studien mit 5,4 Millionen jungen Menschen ergab, dass die Häufigkeit von Myopie unter Kindern und Jugendlichen von 1990 bis 2000 weltweit bei etwas mehr als 24 Prozent lag. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts betrug die Häufigkeit bei den Heranwachsenden bereits etwas mehr als 25 Prozent, zwischen 2011 und 2019 knapp 30 Prozent. Die stärkste Zunahme wurde während der Corona-Pandemie registriert und betrug von 2020 bis 2023 35,81 Prozent, was laut Expert:innen mit kürzeren Aufenthalten im Freien zu tun haben könnte. Grundsätzlich liegt der Anteil der jungen Menschen, die kurzsichtig sind, in Europa derzeit bei 30 bis 40 Prozent. Äußerst problematisch, denn: Jede:r Zehnte entwickelt eine sogenannte hohe Myopie, warnte Wolf Lagreze, Leiter der Sektion Neuroophthalmologie, Kinderophthalmologie und Schielbehandlung der Klinik für Augenheilkunde an der Universitätsklinik von Freiburg in Deutschland. Unter „hoher Mypopie“ verstehen Mediziner:innen eine Kurzsichtigkeit von mehr als minus sechs Dioptrien. Ab diesem Wert steigt das Risiko für langfristige Netzhautschäden. 

Weil Kurzsichtigkeit eine Konsequenz des modernen Lebensstils ist, weisen Expert:innen auf Präventionsmaßnahmen hin. Kinder und Jugendliche verbringen heute viel Zeit vor einem Bildschirm und weniger im Freien. Dabei ist Sonnenlicht laut Lagreze ein „kostenloses präventives Mittel“ gegen Myopie. In umfangreichen Studien sei bereits gut belegt, dass das Risiko für Kurzsichtigkeit mit zunehmender Sonnenlicht-Exposition abnimmt. Demnach muss ein Aufenthalt im Freien mindestens 15 Minuten dauern, damit das Sonnenlicht seine vorbeugende Wirkung entfalten kann. Für einen messbaren Effekt reichen bereits 2.000 Lux Tageslicht aus. 

Skeptisch sehen Expert:innen mittlerweile Versuche, die Entwicklung der Kurzsichtigkeit mit verschiedenen therapeutischen Mitteln zu bremsen. So gab es bisher widersprüchliche Ergebnisse zur regelmäßigen Verwendung von niedrig dosierten Atropin-Augentropfen. In Studien aus Asien wurden damit offenbar gute Ergebnisse erzielt, in ähnlichen Untersuchungen in Europa und den USA zeigten sich jedoch kaum positive Resultate. Auch neuartige Rot-Laserlicht-Bestrahlungen und spezielle Kontaktlinsen werden aktuell von den Fachleuten eher kritisch bewertet. (red/APA)