Rund 60 Prozent der hospitalisierten COVID-19-Erkrankten entwickeln neurologische Symptome, berichtet der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie, Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger.
„Ein wesentliches Faktum ist, dass wir alles, was den Erkenntnisstand dieser neuen Pandemie betrifft, gerade erst einmal in den letzten 4 Monaten erfahren haben. Zwar dreht sich das Rad der Zeit sehr schnell aber auch die chinesischen Kollegen kennen diese Erkrankung erst seit 6 Monaten. In der medizinischen Betrachtungsweise von Erkrankungen, deren Begleitsymptomen oder gar späteren Auswirkungen sind wir dementsprechend limitiert“, sagt Berger. Von den mehr als 20.000 in Österreich positiv auf COVID-19 getesteten Personen verlaufen 80% der Fälle milde. Aufgrund der Kürze der Pandemie wisse man derzeit aber noch nicht welche potenziellen Spätkomplikationen auftreten können. Nicht zuletzt deshalb werden nun weltweit Daten gesammelt.
Die Erkenntnisse zu neurologischen Symptomen oder Komplikationen basieren mehrheitlich auf COVID-19 Erkrankten, die hospitalisiert wurden. Bei den milden Verläufen gibt es hingegen wenig bzw. keine Dokumentation darüber. Aufgrund dieser Problematik sei eine globale Vernetzung von immenser Bedeutung was die Infektion, das Ausmaß, die Risikogruppen und die Folgeerscheinungen betrifft, sagt Berger. „Die bisherige Zeit ist zu kurz um Evidenzen zu kreieren, daher ist es umso wichtiger, dass man gemeinsam den Konsens der Meinungen auf globaler aber auch auf lokaler Ebene findet. Von erheblicher Bedeutung sind die Dokumentation und die Follow-Up‘s zu neurologischen Symptomen, Komplikationen und Spätfolgen der SARS-CoV-2 Infektion. Die „European Academy of Neurology“ hat unter führender Beteiligung von Priv.-Doz. Dr. Raimund Helbok von der Univ. Klinik für Neurologie der Meduni Innsbruck die Initiative „Neuro-COVID-19 Register“ mit bislang über 400 neurologischen Zentren weltweit gestartet, die sich der Dokumentation von akut aber auch spätneurologischen Symptomen widmet“, schildert Berger.
Bei den neurologischen Symptomen/Komplikationen im Rahmen der COVID-19 Erkrankung kristallisierten sich bisher 3 Gruppierungen heraus:
Durchaus möglich sei, dass schwer an COVID-19 erkrankte Patienten mit Verzögerung kognitive- oder Schlafstörungen entwickeln. Diese Überlegung wird dadurch gestützt, dass sich bei diesen Patienten im Akutstadium, selbst wenn diese keine neurologischen Symptome hatten, erhöhte biologische Marker im Blut finden, die nur bei einer Schädigung von Nervenzellen des Gehirns nachweisbar sind. Dies könne im günstigsten Fall auf die akute COVID-19 Erkrankung beschränkt sein, ist aber jedenfalls ein Indiz, dass das Gehirn viel öfter als vermutet im Rahmen der COVID-19 mitbetroffen ist und auch Ausdruck dafür, dass dies mit Verzögerung zu einer Spätfolge führen könnte.
„Bei hospitalisierten Patienten haben ca. 60% neurologische Symptome. Leider sind in den Berater- bzw. Krisenstäben der Bundesregierung und Gesundheitsbehörden bisher keine Neurologen vertreten. Gelegentlich, wie in Salzburg oder Kärnten, sind Neurologen in regionalen Krisenstäben von Krankenhäusern involviert. Wir als Österreichische Gesellschaft für Neurologie haben natürlich national und international ausgewiesene Experten in allen Spezialbereichen der Neurologie, gegenständlich besonders bei Neuroinfektionen und in der Neurologischen Intensivmedizin. Deren Fachkenntnisse bieten wir selbstverständlich und auch urgent politischen Entscheidungsträgern an“, betont Berger. (red)
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