Die Wiener Ärztekammer kommt nicht zur Ruhe. Jetzt wurde der Vorwurf des Befugnismissbrauchs bei Darlehensvergabe an eine Tochterfirma angezeigt.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: drei Tage bevor der Wiener Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart nach einer Herz-Operation und anschließender Rehabilitation in sein Amt zurückkehrt und wenige Tage nachdem Ex-Präsident Thomas Szekeres Neuwahlen gefordert hat, zeigt nun die Interimsführung der Wiener Ärztekammer Szekeres an. Verantwortlich dafür ist der aktuell geschäftsführende Vizepräsident, Stefan Ferenci. Der Vorwurf lautet auf Amtsmissbrauch bei einer Darlehensvergabe an die in Verruf geratene Tochterfirma „ÄrzteEinkaufsService – Equip4Ordi GmbH“ (E4O), bei der seit fast einem halben Jahr im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermittelt wird.
Wie Ferenci am Dienstag vor Journalisten erläuterte, sei er durch die herrschende Gesetzeslage dazu verpflichtet gewesen, die Behörden, konkret die Staatsanwaltschaft Wien, zu informieren. Im Kern geht es darum, dass im März 2020 die E4O mittels Kurienbeschluss unter Steinhart 900.000 Euro an Kammergeld erhielt, gedacht als nachrangiges Darlehen. Der Ärztekammervorstand hatte dieses Geld aus dem „Kampf- und Aktionsfonds“ allerdings Monate zuvor nur für Öffentlichkeitsarbeit freigegeben. Ferenci, damals Finanzreferent der Wiener Ärztekammer, wies nach eigenen Angaben auf diese Diskrepanz hin und verweigerte seine Unterschrift. Szekeres als Präsident habe dennoch gegengezeichnet und für die Überweisung gesorgt – hinter dem Rücken Ferencis, wie dieser jetzt feststellt
Die 900.000 Euro soll die E4O noch im selben Jahr zurückgezahlt haben, wie Rechtsanwalt Markus Höcher in einem Gutachten für die Kammer ausführt. Sie bekam das Geld von der „Ärztefunkdienst ProjektbetreungsgesmbH“, ebenfalls eine Kurientochter. Wie es in Kammerkreisen hieß, soll diese damals auch mehrere Darlehen in Gesamthöhe von fast 2,5 Millionen Euro erhalten haben. In den Büchern aufgeschienen seien die Zahlungsflüsse aber nicht. Gläubiger und Schuldner seien zu Jahresende nämlich miteinander verschmolzen worden, die Forderungen seien damit auf Null gestellt worden. Danach seien die beiden Unternehmen wieder getrennt worden. Zu klären sei aus Sicht eines Gutachters die Frage, ob Szekeres’ Handeln aus dem Blickwinkel der Untreue oder des Amtsmissbrauchs relevant gewesen sein könnte. Er entschied sich für letzteres, da das – als Befugnismissbrauch gewertete – Gegenzeichnen des Präsidenten nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Höcher empfahl daher gemäß § 78 StPO eine Anzeige durch die Ärztekammer. Als Präsident habe Szekeres Schriftstücke unterzeichnet, die er nicht unterzeichnen habe dürfen, argumentiert Ferenci. Als Behördenleiter – Ferenci vertritt noch bis Donnerstag den erkrankten Präsidenten Steinhart – habe er so handeln müssen. Die entsprechende Anzeige wurde am Montag an die Staatsanwaltschaft geschickt. Die Kammermitglieder wurden Dienstagnachmittag per Massenmail von dem Sachverhalt informiert.
Ein Sprecher von Szekeres verwies gegenüber der APA am Nachmittag darauf, dass dieser sich zu den Vorwürfen bereits im Frühjahr geäußert habe. Und zwar habe Szekeres zunächst seine Zustimmung zu diesem Darlehen verweigert und die Aufsichtsbehörde befragt. Diese habe bestätigt, dass die Kammer das Recht habe, eine Firma zu betreiben. Außerdem habe Szekeres festgehalten, dass die Entscheidung zu diesem Darlehen nicht er, sondern eine Mehrheit der Mandatare in der Kurie getroffen hätte. Deren Beschlüsse hätte er als Präsident umsetzen müssen. Das Darlehen, so betonte der Sprecher, sei wie vereinbart an die Kammer zurückbezahlt worden. (red/APA)