35 Prozent der Frauen sterben weltweit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dieses Problem wird wissenschaftlich zu wenig untersucht. Nun wurde dazu eine Studie im Fachmagazin „Lancet“ publiziert.
Bei Frauen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden diese zu selten diagnostiziert und zu wenig effektiv behandelt. Dies stellen 17 internationale Experten im ersten globalen Bericht zum Thema „Frauen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ fest, der nun bei der Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) vorgestellt wurde. Der Report, zeitgleich zur Präsentation beim ACC-Kongress in der Fachzeitschrift „Lancet“ publiziert, betont die Bedeutung des Problems und fordert entschiedenes Gegensteuern, um die Gesundheitssituation vieler benachteiligter Frauen zu verbessern. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Haupt-Todesursache bei Frauen und für 35 Prozent der Todesfälle verantwortlich. Bei jungen Frauen steigt die Herz-Kreislauf-Mortalität an“, schreiben die Fachleute.
Die wichtigsten Zahlen: 2019 gab es weltweit rund 275 Millionen Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen. Das bedeutete rund 6.400 Patientinnen pro 100.000 Frauen und Jahr. Zwar hat seit 1990 die Häufigkeit von Herzinfarkt, Schlaganfall und ähnlichen Leiden unter den Frauen weltweit um 4,3 Prozent abgenommen. Doch das betraf vor allem die reichsten Staaten der Welt in Asien und im pazifischen Raum (minus 19,2 Prozent), Westeuropa (minus 18,2 Prozent) und Nordamerika (minus 14,6 Prozent). In China stieg die Häufigkeit hingegen um 7,5 Prozent, in Indonesien um 4,8 Prozent und in Indien um 2,4 Prozent. 1990 starben weltweit rund 6,1 Millionen Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 2019 betrug die Zahl dieser Todesfälle bereits 8,94 Millionen, was aber in erster Linie auf das Wachstum der Weltbevölkerung zurückzuführen ist.
Ischämische Herzerkrankungen durch Atherosklerose sind die häufigsten Krankheiten bei Frauen. Dann folgt der Schlaganfall. „Hoher Blutdruck ist der größte Risikofaktor, der zu verlorenen Lebensjahren durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen führt. Es folgen ein hoher Body-Mass-Index und hohe LDL-Blutfettspiegel im Blut“, heißt es in dem Report. Für Europa zeichnet sich ein teilweise spezifisches Bild ab, was die Gefährdung der Frauen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrifft. Der Report hält fest: „Obwohl der Anteil der Raucher generell zurückgegangen ist, gibt es einen Anstieg bei den Frauen, speziell bei den jungen Frauen und Mädchen. Laut den Statistiken der EU-Mitgliedsländern ist der Anteil der Raucher bei Männern und Frauen in einigen nord- und westeuropäischen Ländern etwa gleich, bei den schwedischen Frauen aber höher als bei den Männern. Weiters ist die Sterblichkeit infolge von Bluthochdruck in großen Teilen Europas bei den Frauen höher als bei den Männern.“ Hohe Cholesterinwerte seien bei Frauen etwas häufiger als bei Männern zu beobachten, Frauen betrieben auch weniger Sport.
Es gibt aber auch einige Gefährdungsmomente, die ausschließlich Frauen treffen: frühe Menopause, Gestationsdiabetes und Hypertonie in der Schwangerschaft, Frühgeburtlichkeit oder chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankungen. Hinzu kommt, dass Frauen infolge ihrer in vielen Weltregionen existierenden sozialen Benachteiligung noch stärker gefährdet sind: durch psychosoziale Risikofaktoren, Missbrauch bzw. Gewalt in der Partnerschaft, sozioökonomische Benachteiligung, mangelndes Gesundheitswissen und schädliche Umweltfaktoren. Die Benachteiligung von Frauen in Sachen Herzgesundheit betrifft auch die Wissenschaft. Obwohl mehr Wissen über die geschlechtsspezifischen Aspekte in der Behandlung und Optimierung der Therapieergebnisse von entscheidender Bedeutung wäre, seien Frauen in klinischen Studien lange Zeit mangelhaft repräsentiert gewesen, heißt es im „Lancet“. Hier müsste gegengesteuert werden. (APA)