Gast-Kommentar: Schlechte Noten für Österreich

Dr. Martin Sprenger, Leiter des Universitätslehrganges Public Health an der MedUni Graz und Allgemeinmediziner, fordert im RELATUS-Gast-Kommentar Investitionen in die Gesundheitsvorsorge.

Frau Österreicherin und Herr Österreicher haben ab Geburt sieben (!) gesunde Lebensjahre weniger zu erwarten als die durchschnittliche Europäer*innen. Gegenüber Schweden sind es sogar 15 Jahre. FÜNFZEHN gesunde Lebensjahre weniger! Warum ist das so? Warum investiert ein so reiches Land wie Österreich so wenig in die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger?

Das gängige Narrativ der Politik ist natürlich, dass wir alle selber schuld sind. Zu blöd, zu faul, zu fett, zu arm, zu versoffen und zu verraucht. Selber schuld, dass wir so früh chronisch krank und behindert, betreuungs- und pflegebedürftig werden. „Wir“ (also die Politik) zahlen eh schon so viel für die Krankenversorgung und Pflege. Ein bisserl gesundheitskompetenter könnte sie schon werden, die Bevölkerung.

Auf die Idee, dass zum Beispiel Bildung eine der wesentlichen Voraussetzungen für ein langes und gesundes Leben ist, sind sie noch nicht wirklich gekommen. Ansonsten hätte ein reiches Land wie Österreich bestens ausgestattete Kinderkrippen, Kindergärten und Volksschulen. Mit ausreichend gut bezahlten und bestens ausgebildeten Beschäftigten. Es würde uns gar nicht so viel kosten, die ersten 6 bis 8 Jahre im Bildungssystem so modern und großartig zu gestalten, dass ganz Europa staunt.

Warum tut das die Politik nicht. Warum haben wir nicht das modernste und beste Bildungssystem Europas? Die Gründe sind vielfältig. Zum Teil liegt es am typischen österreichischen Filz, aber auch an den fehlenden Visionen, die politische Strategien über eine Legislaturperiode denken. Wir werden uns also darauf einrichten müssen, dass sich bei der gesunden Lebenserwartung in Österreich wenig tun wird. Letztere ist übrigens sozial extrem ungleich verteilt. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Einkommens- und Bildungsgruppen betragen zum Teil zehn Jahre und mehr. Die Corona-Pandemie wird diese Kluft noch einmal vergrößern. Am Narrativ der Politik wird sich dadurch nichts ändern. Wozu auch. (Martin Sprenger)

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/pdfscache/17197.pdf?fbclid=IwAR2i2p5vUGRZVGB5eSQNBRohV0DL3hj_-udPjuhmkuN8UzYVq5Ve0wuYwzI