Die Begutachtungsphase des Gesetzesentwurfes zur Impfpflicht bringt überraschende Stellungnahmen von Ärztekammer und Dachverband der Sozialversicherung. Zusammenfassend: Das Gesetz ist ein Murks und muss in weiten Teilen überarbeitet werden.
Zu Wochenbeginn endete die Begutachtungsfrist für die geplante Impfpflicht. Insgesamt gab es mehr als 108.000 Stellungnahmen – meist von Impfkritikern, deren Stellungnahme sich im Satz „Ich bin dagegen“ erschöpfte. Die Stellungnahmen werden nun dem Gesundheitsressort übermittelt. Insgesamt seien noch nie so viele Kommentare zu einem Gesetzesvorhaben in der Parlamentsdirektion eingelangt, hieß es. Ausreichend Diskussionsmöglichkeit über diese Materie wird es noch am 17. Jänner im Gesundheitsausschuss geben, wo der Entwurf für das Covid-19-Impfpflichtgesetz in Form eines wortgleichen Initiativantrags von ÖVP und Grünen im Rahmen eines öffentlichen Expertenhearings behandelt wird. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hält jedenfalls an der Impfpflicht ab 1. Februar fest. Große Änderungen soll es nicht mehr geben. Nehammer kündigte lediglich einen „Feinschliff“ an.
Doch das dürfte nicht reichen, wenn man sich die Stellungnahmen genauer ansieht. Vor allem jene von Organisationen, die von der Materie auch etwas verstehen. Ergebnis der Stellungnahmen von Ärztekammer und Dachverband der Sozialversicherung: Der Gesetzesentwurf ist ein Murks. Zwar begrüßen beide Organisationen die geplante Impfpflicht, der Gesetzestext weist aber ihrer Ansicht nach massive Mängel auf. Das Dachverband listet diese auf ganzen 15 Seiten auf und sie reichen von einer unklaren sprachlichen Formulierung des Alters ab dem Impfpflicht gilt, über die mangelhafte Definition welche Impfstoffe aktuell und künftig gelten, bis zu Fragen, dass die „Wahlmöglichkeit des Impfstoffes“ praktisch nicht gegeben sei und warum Genesungszertifikate durch Vertragsärzte im eImpfpass gespeichert werden sollen. Zudem seien Fristen angegeben, „die nicht mit der Erstellung der Impfzertifikate übereinstimmen.“ Warnung der Kassen: „Dadurch kann es passieren, dass Personen ein Impfzertifikat bekommen, aber trotzdem eine Strafe bekommen können.“ Zudem sind Antikörpernachweise vorgesehen. „Eine einheitliche Verspeicherung dieser Informationen ist bisher nicht erfolgt.“ Ob ELGA, wie von dieser angemerkt, die technische Umsetzung nicht rechtzeitig schafft, dürfte also das geringste Problem sein.
Die Österreichische Ärztekammer wiederum spricht sich „ausdrücklich gegen ein Ausstellen ärztlicher Bestätigungen für die Ausnahmen von der Impfpflicht durch Vertragsärztinnen/Vertragsärzten bzw. Vertragsgruppenpraxen“ aus. Die bisherigen Erfahrungen bei den vergleichbaren, „Maskenbefreiungsattesten“ hätten gezeigt, dass die Ärzteschaft – „auch aufgrund der großteils ideologischen und politischen Dimension“ – einem enormen Druck ausgesetzt wird und das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und ihren Patienten nachhaltig massiv belastet wird. „Es ist sogar davon auszugehen, dass das Ablehnen der Ausstellung einer impfbefreienden Bestätigung langjährige therapeutische Beziehungen beenden könnte. Dies kann seitens der Österreichischen Ärztekammer nicht unterstützt werden.“ Und weiter heißt es: „Die Begehrlichkeiten Nichtimpfwilliger, teilweise sogar radikalisierter Bevölkerungsgruppen, dürfen nicht auf dem Rücken der Ärztinnen und Ärzte ausgetragen und vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnisse dadurch nicht beeinträchtigt werden.“ Die Österreichische Ärztekammer ersucht daher, die Kompetenz zur Ausstellung von Impfbefreiungsattesten lediglich durch Amtsärzte vorzusehen. Und auch sie warnt, dass „weder die ELGA-GmbH noch die Arztsoftware-Hersteller auf die zur Umsetzung der im Entwurf vorgesehenen Vorgaben vorbereitet sind.“ Fazit: „Dies macht eine wie im Entwurf zeitlich geplante Umsetzung unmöglich.“ (rüm)
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