Pharmasektor und Ärzte warnen davor, dass während der Pandemie viele Schulimpfungen verabsäumt worden sind. Eltern sollten nun dringend selbst aktiv werden, so der Rat.
In Österreich sind die meisten dieser Impfungen im kostenlosen Kinderimpfkonzept enthalten, viele werden im Rahmen der Schulimpfungen verabreicht. Das ist momentan auch das Problem, denn aufgrund der wenigen Präsenztage in der Schule und der COVID-19-Schutzmaßnahmen wurden im vergangenen Jahr teilweise weniger als 50 Prozent der notwendigen Impfungen durchgeführt. Ein Konzept, wie diese nachzuholen sind, gibt es vorerst nicht, kritisiert der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH). Kinder-Impfungen haben in den vergangenen Jahrzehnten viele schwere Krankheiten glücklicherweise zur Seltenheit gemacht. „Den meisten Eltern dürfte nicht mehr bewusst sein, wie gefährlich viele davon eigentlich sind“, meint Karl Zwiauer, Pädiater und Mitglied des nationalen Impfgremiums. „Vor allem jetzt nicht, da COVID-19 die Berichterstattung dominiert und durch den Lockdown praktisch alle Infektionskrankheiten – außer FSME – international und auch in Österreich zurückgegangen sind. Zum Teil, weil es sie nicht gab, aber auch, weil sie pandemiebedingt nicht diagnostiziert wurden. Es ist zu befürchten, dass sie nach der Pandemie umso stärker zurückkommen.“
„Bei den Säuglings- und Kleinkindimpfungen sieht man, dass es zwischen den Lockdowns immer wieder Nachholimpfungen gegeben hat, bei den Schulimpfungen ist es aber zu dramatischen Einbrüchen gekommen“, erläutert Zwiauer. „2020 sind nur 70 % des Bedarfs der 4-fach-Impfstoffe gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis (Keuchhusten) und Polio (Kinderlähmung) abgerufen worden. Bei den HPV-Impfstoffen waren es nur 45 %, bei den Meningokokken-ACWY-Impfstoffen 39 % und bei den Hepatitis-B-Impfstoffen 40 %. Da sind gewaltige Lücken entstanden. Das ist umso dramatischer als wir ohnehin schon keine optimalen Durchimpfungsraten hatten. Die ausgefallenen Impfungen komplett nachzuholen wird wohl auch in den letzten Wochen dieses Schuljahres nicht mehr möglich sein.“ Betrachtet man die Daten im Detail, erkennt man, dass es bei manchen Impfungen auch schon vor der Pandemie zu Impflücken gekommen ist. Das sieht man zum Bespiel an der 4-fach-Impfung. „Bei Keuchhusten ist es schon in den vergangenen Jahren zu einem Anstieg der Erkrankung um das Vierfache gekommen, seit 2014 sogar um das Sechsfache. Am stärksten waren Kinder zwischen fünf und neun beziehungsweise Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren betroffen“, berichtet Zwiauer. „Hier gab es schon länger ein Problem mit den Auffrischungsimpfungen, jetzt dürfte sich dieses noch deutlich verschärft haben.“ (red)