Während des Lockdown wurde versucht, Ärzte vor Ansteckungen durch Patienten zu schützen. Telemedizin und das Verschieben nicht dringender Untersuchungen sollte helfen. Bis jetzt wurde das System aber nicht wieder für Patienten freigegeben, kritisieren immer mehr Ärzte.
Am Wochenende beginnt in Graz – virtuell – der heimische Primärversorgungskongress. Zentrales Thema dabei: die Folgen der Corona-Pandemie und der Umgang mit der Krise. Veranstalter ist das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Meduni Graz. Diskutiert werden wird dabei auch die Rolle der wohnortnahen, ärztlichen Versorgung in Zeiten der Corona-Krise. Immer öfters ist derzeit unter Allgemeinmedizinern zu hören, dass andere Krankheiten und Präventionsprogramme nicht vernachlässigt werden dürften und Patienten nicht strickt von Ordinationen ferngehalten werden sollen. „Wenn wir die nächsten Monate unnötig schwere Verläufe anderer gut behandelbarer Erkrankungen vermeiden wollen, müssen wir diesen Patienten auch Sicherheit geben. Sie dürfen keine Angst vor Ansteckungen in Arztpraxen haben“, erklärte kürzlich der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), Christoph Dachs. Hausärzte hätten ihre Ordinationen in der Zwischenzeit längst zu sicheren Orten gemacht, sagte zuletzt auch Andrea Siebenhofer-Kroitzsch, Leiterin des Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Meduni Graz.
Das Dogma vom Beginn der Krise, den Hausarzt zu meiden und die Hotline 1450 anzurufen, wird von manchen auch als kontraproduktiv gesehen. Die Hotline könne kein Ersatz für eine differenzialdiagnostische ärztliche Abklärung mit Ausschluss potenziell gefährlicher anderer Krankheiten sein, hört man aus der Ärzteschaft. Denn gerade, wenn Patienten auf in häuslicher Quarantäne auf Testergebnisse warten, könnte es problematisch sein, wenn doch keine Corona-Infektion, sondern eine andere Erkrankung vorliegt, die dann spät behandelt wird.
Gleichzeitig zeigt sich derzeit aber auch, dass die Gesundheitsbehörden und die Gesundheitskasse statt der Öffnung des hausärztlichen Bereiches auf einen Ausbau von 1450 setzen. Die Gesundheitshotline soll etwa in Vorarlberg weiter ausgebaut werden, heißt es dieser Tage aus dem Westen. Künftig könnte die telefonische Beratung den Hausarzt als erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Fragen ablösen, kündigt Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) im ORF Vorarlberg-Interview an. Dass die Hausärzte während des Lockdown vor den Erstkontakten mit den Patienten weitgehend abgeschottet waren, habe gut funktioniert, so Rüscher. (rüm)