Die Ärztekammer präsentierte eine Studie, die den Nutzen von Hausapotheken unterstreichen soll. Prompte Ablehnung kommt vom Gesundheitsminister, die Apothekerkammer übt scharfe Kritik.
Die Forderung gibt es schon länger, die Studie dazu ist neu: Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) präsentierte am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz die Ergebnisse einer Untersuchung, die – wenn es nach ÖÄK geht – den Vorteil des Ausbaus der Hausapotheken unterstreichen. Durchgeführt wurde die Studie durch das Beraternetzwerk Kreutzer Fischer und Partner, die ÖÄK unterstützte die Analyse finanziell. Laut Studie könnte ein Ausbau der Hausapotheken an die 400 neuen Kassenärzt:innen bringen. Denn diese könnten durch eine Hausapotheke mit einem Zusatzeinkommen von bis zu 30.000 Euro pro Jahr rechnen.
„Der Weg dazu wäre ganz einfach – mit einem Wegfall der Sechs-Kilometer-Grenze, die den Abstand zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken reglementiert, werden Kassenstellen vor allem im ländlichen Raum, schlagartig attraktiver und wir können die größten Lücken schließen“, meinte Studienautor Andreas Kreutzer, der einen Ausbau der ärztlichen Hausapotheken um 570 Standorte für öffentliche Apotheken als ökonomisch verkraftbar einstuft. Was er bei der Pressekonferenz außerdem erwähnte: „Natürlich gibt es auch eine finanzielle Komponente, die helfen könnte, dass Ärzt:innen eine Kassenstelle am Land übernehmen.“
Edgar Wutscher, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann des niedergelassenen Bereichs, betonte allerdings, dass es der Ärztekammer bei der Forderung nach einer Liberalisierung des Apothekenmarktes rein um eine bessere Patient:innenversorgung durch den Ausbau der Medikamentenversorgung ginge. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist von der Argumentierung aber nicht überzeugt. Am Rande eines Termines ließ er verlauten: „Es sind alle Vorschläge im Zuge der Gesundheitsreform herzlich willkommen, aber sie sollten nicht in erster Linie davon getrieben sein, das eigene Einkommen zu erhöhen.“ Der Grüne Gesundheitssprecher, Ralph Schallmeiner richtete sich über Social Media direkt an die ÖÄK: „Nein, liebe Ärztekammer, die Hausapotheke ist keine Antwort auf den Hausärzt:innen-Mangel. Sie ist einzig eine Sonderlösung, dort wo keine Apotheke in der Nähe ist. Ärzt:innen sind keine Apotheker:innen, und umgekehrt. Deshalb wäre es auch dringend nötig endlich die Wirkstoffverschreibung umzusetzen. So wie dies international üblich ist. Und die Hausapotheke bleibt eine Ausnahme.“
Scharfe Kritik kommt auch von Seiten der Österreichischen Apothekerkammer. Noch während der Pressekonferenz der Ärztekammer wurde in einer Aussendung die Studie als „unprofessionell erstellt“ kritisiert. Die Studie basiere auf falschen Daten, fehlerhaften Berechnungen und bringe zentrale Begrifflichkeiten des Arzneimittelrechts durcheinander. „Diese von der Ärztekammer beauftragte sogenannte Studie besitzt keinerlei fachlichen Wert und weist haarsträubende inhaltliche Mängel und Fehler auf. Sie ist schlecht recherchiert, enthält falsche, unzulässige Schlussfolgerungen und beeindruckt durch unzureichende und unrichtige Zitierungen von Primärquellen“, zeigt sich Gerhard Kobinger, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer, erstaunt. Laut Apothekerkammer würden die Begriffe „Arzneispezialität“ und „magistrale Zubereitung“ in den Ausführungen der Untersuchung verwechselt. Am mathematischen Zugang zweifeln die Apotheker:innen: „Wenn ich, wie auf Seite 10, für die Umsatzberechnung fünf Jahre in Folge in Betracht ziehe, dann handelt es sich um vier Veränderungen und nicht um fünf. Und wer die Begriffe ‚Durchschnitt‘ und ‚Median‘ verwechselt, stellt sich sowieso selbst ins Abseits. Darüber hinaus fehlen in der höchst unprofessionell erstellten Ärztekammer-Studie Quellenangaben fast vollständig. Wo es diese gibt, sind sie oft unzureichend. Eine Erhebung mit derartigen Defiziten kann man nicht ernst nehmen. Und noch weniger kann man auf dieser Basis eine Veränderung des Versorgungssystems anstreben“, entrüstet sich Kobinger. Wutscher von der Ärztekammer sieht in der Kritik der Apothekerkammer einen „Abwehrmechanismus“ und einen Diskreditierungsversuch der Studie, was er für „höchst bedauerlich“ hält.
Die neueste Meldung zur Causa kam dann noch von der niederösterreichischen Ärztekammer, die zusätzlich den Nutzen von Hausapotheken für die Umwelt hervorhob. Dazu präsentierte der Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, Harald Schlögel, der auch geschäftsführender Vizepräsident der ÖÄK ist, Zahlen aus einer Studie des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz: „Die Wissenschaftler:innen haben berechnet, dass, wenn jede Ordination eine ärztliche Hausapotheke hätte, dadurch rund 62 Millionen gefahrene Autokilometer eingespart werden könnten. Dem gegenüber würde bei einem fiktiven Wegfall aller Hausapotheken rein ökologisch betrachtet ein zusätzlicher Fahrtaufwand für die Bevölkerung von 103 Millionen Kilometern pro Jahr entstehen. Der CO2-Ausstoß würde dadurch um mehr als 14.000 Tonnen steigen“, wird Schlögel in einer Aussendung zitiert. (kagr)