Hausapotheken: Neue Aufregung um Initiative für Einarztgemeinden

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Während sich die Plattform „Einarztgemeinde“ darüber freut, dass immer mehr Gemeinden eine Gesetzesänderung fordern, kommt Kritik von den NEOS. Sie sehen darin Lobbying und „billigen Populismus einer Ärztegruppe, die auf Ortskaiser setzt, die von Gesundheitsversorgung wenig verstehen.“

„Immer mehr Gemeinden beschließen eine Resolution für eine notwendige Gesetzesänderung und fordern ärztliche Hausapotheken für alle Einarztgemeinden“, teilt die „Plattform Einarztgemeinde“ in einer Presseaussendung mit. Rund 300.000 Menschen in Österreich hätten keine Medikamentenversorgung vor Ort, obwohl sie eine hausärztliche Versorgung beziehungweise eine verwaiste Kassenstelle haben. Die bestehende gesetzliche Regelung gleiche „einem Schildbürgerstreich, daher wächst auch der Widerstand der Betroffenen“, heißt es am Mittwoch in einer Aussendung. Etwa 20 betroffene Gemeinden hätten bereits eine Resolution zur Bekräftigung der Forderung der Plattform Einarztgemeinde beschlossen und an Politiker aller Ebenen verschickt, sagt Markus Lechner, Rechtsanwalt der „Plattform Einarztgemeinde“: „Wir unterstützen diese Gemeinden natürlich.“ Gefordert werden von den Gemeinde, Hausapotheken für alle Einarztgemeinden und eine entsprechende gesetzliche Änderung, die das ermöglicht. Dadurch sei es auch möglich Ärztestellen zu behalten, so das Argument.

Nicht alle sind aber von der Initiative angetan. Gerald Loacker, Gesundheitssprecher der NEOS im Nationalrat, ist aufgefallen, dass die in den Gemeinden beschlossenen Petitionen jeweils komplett ident sind. RELATUS liegen entsprechende Beispiele aus Tirol und Vorarlberg vor. Loacker sieht entsprechenden Lobbyismus der Plattform hinter den Petitionen. „Die Aktion dieser Ärztegruppe ist billiger Populismus, der auf Ortskaiser setzt, die von Gesundheitsversorgung wenig verstehen. Seriöse Standespolitik sähe anders aus“, kritisiert er. Sein Argument an die Gemeinden: „Ein one-stop-shop-Ansatz mag in vielen Lebensbereichen sinnvoll sein, bei Hausapotheken überwiegen allerdings die Fehlanreize. Eine Ausweitung der Zahl an Hausapotheken würde im Endeffekt zu mehr Kosten und zu gesundheitlichen Nachteilen für Patientinnen und Patienten führen.“

Ärztliche Hausapotheken seien in den meisten der 28 EU-Staaten aus gutem Grund nicht existent beziehungsweise gesetzlich verboten. „Studien zeigen, dass Ärztinnen und Ärzte dazu neigen, mehr Medikamente zu verschreiben, wenn Sie eine Hausapotheke in der Praxis betreiben. Das erhöht zum einen die Kosten für das Gesundheitssystem. Zum anderen besteht dadurch die Gefahr der Übermedikation. So verschreiben Ärzte mit Hausapotheke um 25 Prozent mehr Medikamente als solche ohne“, heißt es in einem Brief, mit dem die NEOS auf die Petition von Gemeinden antworten. Österreich habe schon im EU-Vergleich die höchste Dichte an Hausapotheken. Von insgesamt 2.000 Hausapotheken in ganz Europa seien 800 in Österreich. Der Vorschlag der NEOS: „Anstatt die Hausapotheken als Einnahmen-Kompensation für schlechte und veraltete Honorarverträge zu instrumentalisieren, wäre eine Reform der Ärztehonorierung mit den Kassen sinnvoller.“ Eine bessere Medikamentenversorgung im ländlichen Raum könne wiederum durch eine Liberalisierung der Arbeitsbedingungen von Apotheken erreicht werden.

Die Plattform, die seit Jahren Diskussionsveranstaltungen in kleinen Gemeinden mitorganisiert und so Druck erzeugt, sieht das naturgemäß anders. Laut Presseaussendung ist der „Arbeitsauftrag dieser Plattform“, die politische „Willensbildung mit dem Ziel der Durchsetzung eines Gesetzes, welches Hausapotheken in Einarztgemeinden ohne Einschränkungen ermöglicht.“ Denn das ist aus Sicht der Initiatoren „auch dringend notwendig“. „Für die Politik wird es trotz Corona langsam Zeit, sich um die Großbaustellen der medizinischen Versorgung in Österreich zu kümmern, beispielsweise die optimale Medikamentenversorgung für alle“, meint Andrea Man, Hausärztin aus Pillichsdorf in Niederösterreich und Gründerin der Plattform. Ihr Argument: „Eine Hausapotheke bedeutet die optimale Versorgung mit Medikamenten, speziell dort wo es keine öffentlichen Apotheken gibt.“ Mittlerweile würden auch schon sehr viele Gemeinden beziehungsweisen deren Bewohner unter den Auswirkungen der verfehlten, spitalslastigen Gesundheitspolitik der vergangenen Jahrzehnte leiden, argumentiert Lechner. Aus seiner Sicht gibt es keinerlei sachliche Argumente, die gegen Hausapotheken für alle Einarztgemeinden sprechen. Von Seiten der Bundes- und Landespolitik gab es bisher keine Kommentare zu den Aktionen der Plattform und den Petitionen der Gemeinden. (rüm)

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