Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs im Falle einer nicht entdeckten Fehlbildung bei einem Fötus könnte zu einer Judikaturwende und weitreichenden Folgen für Ärzt:innen führen.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die von einem Gynäkologen nicht entdeckte Fehlbildung an einem Fötus („wrongful birth“) erstmals mit einer ungewollten Schwangerschaft nach einem rechtswidrigen Verhalten eines Arztes („wrongful conception“) gleichgesetzt. Ein Elternpaar hatte geklagt, da sie sich angesichts der schweren körperlichen Behinderung des Kindes bei Aufklärung durch den Arzt für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätten, berichtete der OGH, der von einer Judikturwende zu „wrongful birth“ und „wrongful conception“ sprach. In beiden Fällen wäre die Geburt des Kindes unterblieben, hätte der Arzt nicht sorgfaltswidrig gehandelt, so die Begründung. Der Gynäkologe sei bei den Ultraschalluntersuchungen und Pränataldiagnostik nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst („lege artis“) vorgegangen.
Der Revision des beklagten Gynäkologen gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Graz, das das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt bestätigt hatte, wurde damit nicht Folge gegeben. Darüber hinaus bekräftigte der OGH die bisherige Rechtsprechung, dass den Eltern der gesamte Unterhaltsaufwand und nicht bloß der behinderungsbedingte Mehrbedarf zu ersetzen ist. Das Erstgericht hatte den Arzt zur Zahlung von rund 76.500 Euro verpflichtet. Demnach haftet der Beklagte auch für alle künftigen Vermögensschäden und Vermögensnachteile der Eltern aufgrund des Untersuchungsfehlers sowie für den künftigen Unterhalt des Kindes. (red/APA)