Die Intensivkapazitäten seien im Hinblick auf COVID-19-Fälle keineswegs im sicheren Hafen, warnt die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).
Die Zahl der COVID-19-Patienten in Österreichs Spitälern steigt. Zwischen 19. August und 19. September stieg die Zahl der stationären Aufnahmen wegen einer COVID-19-Erkrankung von 120 auf 349, die Zahl der Intensivpatienten – die zeitverzögert auf steigende Infektions- und Hospitalisierungsraten reagiert – von 20 auf 84. „Leider ist die Entwicklung, was die Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Österreich betrifft, wieder sehr besorgniserregend. Wir müssen hier auch mit Blick auf die intensivmedizinische Versorgung eine deutliche Warnung aussprechen“, betont ÖGARI-Präsident Klaus Markstaller (MedUni Wien/AKH Wien). Bisher sei die zu Recht gefürchtete Überlastung des Versorgungssystems Dank der intensiven und professionellen Vorbereitung in Österreichs Spitälern und der erfolgreichen Eindämmung der Infektionszahlen nicht eingetreten. „Jetzt besteht allerdings wieder eine konkrete Gefahr“, warnt Markstaller.
„Offenbar besteht bei manchen der Eindruck, die aktuell rapide steigenden Infektionszahlen hätten, anders als vor einigen Monaten, keine Auswirkungen auf die Spitals- und Intensivkapazitäten. Diese Annahme wäre aber ein fataler Irrtum.“ Es sei wohl richtig, dass der Anteil der spitals- und intensivpflichtigen Patienten an der Gesamtzahl der positiv auf SARS-CoV-2 Getesteten geringer ist als in der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr – unter anderem aufgrund einer veränderten Teststrategie und jüngerer Betroffener. „Wir können aber nur davor warnen zu glauben, dass damit die stationären Kapazitäten kein Thema mehr wären. Denn selbst bei prozentual geringerem Anteil steigt mit wachsenden Infektionszahlen linear auch die Zahl der Spitals- und Intensivaufnahmen kontinuierlich an, und das kann besorgniserregende Dimensionen erreichen.“ Man könne mit den Kapazitäten recht rasch an Grenzen stoßen, wenn kein Bremseffekt eintritt, da die Spitals- und Intensivkapazitäten dringend für die reguläre Versorgung der Bevölkerung benötigt werden, betonte der Experte. Keine andere Erkrankung habe daher aktuell das Potenzial, durch besonders rasche Zuwachsraten die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems so zu gefährden wie COVID-19.
Die Situation in den Spitälern unterscheide sich jetzt grundlegend vom Frühjahr, gibt der ÖGARI-Präsident zu bedenken. „Im Gegensatz zu damals sind jetzt die Krankenhäuser wieder im Vollbetrieb, was die Versorgung anderer Erkrankungen betrifft. Und das wollen wir ja auch, damit niemand zurückbleibt. Dass bedeutet aber auch, dass nicht mehr, etwa durch die Verschiebung nicht akut erforderlicher Operationen, gezielt Intensivkapazitäten freigehalten werden. Und damit gibt es auch viel weniger Spielraum.“ Was vielfach nicht bekannt ist: Im Routinebetrieb liegt die Auslastung der Intensivkapazitäten in Spitälern in der Regel deutlich über 80 Prozent, in vielen Häusern auch bei 90 Prozent und mehr. Dazu komme eine drohende Knappheit der personellen Ressourcen. „Ein Intensivbett hilft nur, wenn es mit ausreichend viel Personal bespielt werden kann.“ Aus Sicht der ÖGARI muss jetzt wieder die Eindämmung der Infektionen in den Mittelpunkt rücken. (red/APA)