Johannes Steinhart wurde wie berichtet zum neuen Präsidenten der Ärztekammer für Wien gewählt. Relatus Med erzählte er, was er vorhat.
Was wollen Sie für die Ärzteschaft konkret bis Jahresende erreichen? Zunächst geht es darum, die neue Koalition innerhalb der Ärztekammer optimal arbeitsfähig zu machen. Politisch ist entscheidend, dass wir den Pfad der Kostendämpfung verlassen und auf eine ordentliche Finanzierung im Gesundheitssystem achten. Ein weiteres Thema, das uns beschäftigt, ist die Debatte um Wahlärzt:innen und die damit verbundene Diskussion um etwaige Zwangsverpflichtungen, die wir bestimmt nicht akzeptieren. Darüber hinaus gibt es das Thema weiterer Verhandlungen mit der ÖGK sowie den neuen österreichweiten Leistungskatalog, über den wir auf jeden Fall noch detaillierter sprechen wollen.
Was konkret braucht es, damit es mehr niedergelassene Allgemeinmediziner:innen mit Kassenvertrag gibt? Unsere diesbezüglichen Forderungen sind der Politik und den Krankenkassen seit Jahren bekannt. Flexible Vertragsgestaltungen wären hier wichtig. Da haben wir schon gewisse Schritte gesetzt, aber man könnte noch mehr machen, um die Berufsausübung mit dem Familienleben zu vereinbaren. Ein weiterer Punkt ist eine zu ausgeprägte Bürokratie. Hier muss man deutlich ausmisten, damit nicht jeder Behandlungsschritt in einer ausschweifenden Dokumentation endet. Das ist speziell in der Allgemeinmedizin katastrophal viel.
Die sozialen Krankenversicherungen erwarten kumuliert bis 2026 Verluste von 1,5 Milliarden Euro. Ist das nur eine Drohkulisse oder ist die Kassenzusammenlegung von ÖVP und FPÖ gescheitert? Ob die Kassenzusammenlegung so glücklich war, muss man sich auf Dauer ansehen. Momentan hat man den Eindruck, dass sie primär mit sich selbst beschäftigt sind, damit sie die Struktur bewältigen. Wenn tatsächlich ein 1,5-Milliarden-Euro-Defizit kalkuliert wird, dann werden uns in dem System bald drei Milliarden Euro fehlen. Die von Ex-Kanzler Kurz angekündigte Patientenmilliarde ist nach wie vor ausständig, die ist also noch in keinem Defizit dabei.
Rechnen Sie damit, dass es zu einem Spardruck kommen wird? Für mich ist klar: Entweder sie wollen eine Versorgung oder sie wollen keine Versorgung. Man kann nicht immer alles auf den Leistungserbringer abwälzen. Hier muss man sich um eine Finanzierung kümmern.
Wie sieht es beim Thema Facharzt für Allgemeinmedizin aus? Da gibt es große Bemühungen unsererseits, das umzusetzen. Aber wir scheitern bis jetzt an den Tiefen des Gesundheitsministeriums. Wir haben alle geforderten Aspekte bearbeitet, es ist alles in Ordnung. Das Ministerium lässt uns bis jetzt aber leider in der Luft hängen. (rüm/kagr)