Kann Künstliche Intelligenz bessere Diagnosen stellen?

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Erstmals hat sich eine Studie den Nutzen eines KI-basierten Diagnosesystems in der Akutmedizin angesehen. Die Untersuchung aus der Schweiz bringt ernüchternde Ergebnisse. 

Künstliche Intelligenz (KI) wird jetzt schon – und immer öfter – als Unterstützung bei der Diagnose verwendet. Aufpassen sollte man dabei aber allemal, wie eine aktuelle Studie aus der Schweiz zeigt. Denn: Auch die KI produziert Fehldiagnosen. Laut der neuen Untersuchung des Inselspitals (Universitätsspital Bern) und der Universität Bern brachte das getestete KI-basierte Diagnosesystem keinen messbaren Vorteil gegenüber herkömmlichen diagnostischen Prozessen. Bedenklich, da gewisse Systeme genau für diesen Zweck entwickelt wurden. Immerhin erhalten bis zu 15 Prozent aller Patient:innen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, eine Fehldiagnose. Rund jede zehnte Diagnose ist falsch – Fehldiagnosen gehören damit zu den häufigsten und kostspieligsten medizinischen Problemen weltweit, heißt es in einer Aussendung des Inselspitals. Die KI hätte hier aushelfen sollen. 

Die weltweit erste Studie zu KI-basiertem Diagnosesystem in der Akutmedizin brachte nun Ernüchterung. Im Zuge der Untersuchung trat sowohl mit als auch ohne KI-basierter Diagnoseunterstützung bei 18 Prozent der Patient:innen ein diagnostisches Qualitätsrisiko auf. Die Studie, deren Ergebnisse soeben in „The Lancet Digital Health“ erschienen sind, schloss insgesamt 1204 Patient:innen ein, die zwischen Juni 2022 und Juni 2023 mit unspezifischen Beschwerden in vier Schweizer Notaufnahmen behandelt wurden. Die teilnehmenden Notaufnahmen wurden abwechselnd in zwei Arbeitsphasen unterteilt: Während der Interventionsphasen setzten die Ärzt:innen das KI-basierte System „Isabel Pro“ ein, das sie bei der Diagnosestellung unterstützte. In den Kontrollphasen wurden Diagnosen ohne technische Hilfsmittel gestellt. Die Qualität der Diagnose wurde daran gemessen, ob Patient:innen innerhalb von 14 Tagen nach ihrer Behandlung ungeplante medizinische Nachsorge benötigten, Diagnosen im Nachhinein geändert wurden, eine unerwartete Intensivaufnahme erforderlich war oder ob es zu Todesfällen kam. 

„Aktuell verfügbare KI wird das Problem der Fehldiagnosen nicht lösen. Wir müssen andere Lösungsansätze verfolgen, um die Diagnosequalität zu verbessern, und insbesondere die Forschung zu diesem Thema, die aktuell in den Kinderschuhen steckt, erheblich intensivieren,“ betonte Wolf Hautz, Leitender Arzt der Universitätsklinik für Notfallmedizin am Universitätsspital Bern und Erstautor der Studie. (kagr) 

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