Aufgrund der internen Konflikte in der Wiener Ärztekammer drängen jetzt einige Fraktionen auf Neuwahlen. Einen Misstrauensantrag gegen Präsident Steinhart wollen sie aber nicht unterstützen.
Der frühere Präsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres, fordert Neuwahlen in der Wiener Ärztekammer. „Die Wiener Ärztekammer ist in einem denkbar schlechten Zustand. Ihre Standesvertretung sollte für die nicht zu knapp bemessenen Umlagen mithelfen, dass sich die Arbeitsbedingungen der Ärzteschaft verbessern. Dies ist bis dato in der derzeitigen Legislaturperiode nicht geschehen, weder in der angestellten Kurie noch bei den niedergelassenen Kolleg:innen“, erklärt er via Soziale Medien. Vielmehr sei man „mit internen Grabenkämpfen und gegenseitigen Schuldzuweisungen“ beschäftigt, die mitunter öffentlich über die Medien ausgerichtet werden. Die Ärztekammer sei damit für viele Stakeholder kein ernst zu nehmender Verhandlungspartner mehr und habe massiv an Einfluss verloren. Allerdings: „Die für die Neuwahl erforderliche Zweidrittelmehrheit in der Vollversammlung ist derzeit aber unwahrscheinlich, da viele Funktionär:innen ihre gut bezahlten Funktionen bzw. Posten nicht aufgeben wollen.“ Um diese Funktionär:innen zu überzeugen, habe man nun eine Petition für Neuwahlen gestartet, erklärt Szekeres.
Szekeres war im Vorjahr als Kammerchef abgelöst worden. Der bisherige Vizepräsident Johannes Steinhart, dessen „Vereinigung“ als stärkste Fraktion aus der zuvor abgehaltenen Wahl hervorgegangen war, konnte eine Koalition schmieden und wurde neuer Präsident der Wiener Ärztekammer. Die jüngsten internen Auseinandersetzungen flammten auf, nachdem Vorwürfe gegen die Tochterfirma „ÄrzteEinkaufsService – Equip4Ordi GmbH“ (E4O) laut geworden waren. Bei dieser handelt es sich um eine ausgelagerte Tochtergesellschaft der Kurie der niedergelassenen Ärzt:innen. Bei den mutmaßlichen Missständen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue, Begünstigung und des schweren Betrugs. Die Vorwürfe richten sich gegen Ex-Geschäftsführer und einen Mitarbeiter der Wiener Kammer. Alle drei Beschuldigten behaupten, sie hätten auf Weisung bzw. Genehmigung von Steinhart, der damals Obmann der Niedergelassenen-Kurie war, gehandelt. Steinhart hat dies stets zurückgewiesen.
Zuletzt hatten sich Mandatare um den Obmann der niedergelassenen Ärzte, Erik Randall Huber, von der Vereinigung abgespalten. Das führte unter anderem dazu, dass das Team Szekeres mit 18 Mandaten von insgesamt 90 zur aktuell stärksten Fraktion wurde. Der frühere Präsident ist jedenfalls enttäuscht, wie er betonte. „Es wurde der Kollege Steinhart mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Und kurz darauf haben die eigenen Leute gegen ihn Medienkampagnen veranstaltet und wollten ihn loswerden. Das ist eine ungewöhnliche Situation. Es beschäftigt sich die Ärztekammer leider mit sich selber.“ Er selbst könne nicht beurteilen, ob die Vorhalte gerechtfertigt seien. Denn es gebe noch keine Untersuchungsergebnisse etwa der Staatsanwaltschaft, der Aufsichtsbehörde oder des Rechnungshofs. Dies seien die Instanzen, die die Vorwürfe prüfen sollten. Er habe auch selbst als Präsident keinen Einblick in die Firma gehabt, da diese der Kurie der niedergelassenen Ärzte gehörte. Der Beschluss zur Gründung der Firma sei damals jedenfalls rechtmäßig zustande gekommen, berichtete Szekeres im RELATUS-Gespräch. Mögliche Konsequenzen sollten erst nach eventuellen Untersuchungsergebnissen gezogen werden, meint der Ex-Präsident.
Szekeres kritisiert aber vor allem Stillstände innerhalb der Kammer. Sie zeige Missstände „mittels teurer Kampagnen auf, kritisiert den Stadtrat und beschließt Streikmaßnahmen, während konstruktive Gespräche mit der Stadt und den verantwortlichen Managern nicht stattfinden. Dies überlässt sie den Personalvertreter:innen, die im Hintergrund, ohne große Medienkampagnen und Millionenbudget, an den Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der angestellten Ärzt:innen arbeiten.“ Auch bei den niedergelassenen Kolleg:innen sehe es nicht besser aus, „denn ernst zu nehmende Abschlüsse mit den Krankenkassen sind nicht in Aussicht, immerhin dreht sich derzeit noch alles um die Malversationen in den Tochtergesellschaften der niedergelassenen Kurie. Dafür sind zuletzt auch mehrere gut bezahlte Anwälte engagiert worden.“
Steinhart-Kritiker:innen weisen die Vorwürfe von Szekeres ebenfalls in Sozialen Medien zurück. Frédéric Toemboel, Finanzreferent der Ärztekammer Wien, ortet darin lediglich Versuche, „den Chef-Aufklärer Erik Randall Huber öffentlich zu diskreditieren“. Jörg Hofmann, langjähriger Funktionär der Kammer und ehemaliges Mitglied der Vereinigung Steinharts, schreibt wiederum: „Die angestellte Kurie funktioniert in vollem Umfang.“ Unter den früheren Vorsitzenden sei „in zehn Jahren weniger für die Spitalsärzte unternommen worden als unter (dem aktuellen Kurienvorsitzenden, Anm.) Ferenci in einem Jahr.“ (rüm)