Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.
Mit dem Beginn des stufenweisen Hochfahrens des Handels am Dienstag starte die zweite Etappe im Kampf gegen das Corona-Virus, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Der Weg wird nicht einfach. Das zeigen auch die bisherigen Wochen.
Gesundheitsminister Anschober hat zu Wochenbeginn aufgerufen, die erste Teilöffnung „maßvoll und verantwortungsvoll“ zu begehen. Es handle sich um eine „entscheidende Phase“, die erst zeigen werde, ob die schrittweise Öffnung fortgesetzt werden kann. In Österreich gibt es laut Gesundheitsministerium seit Ostersonntag mehr Genesene als aktiv Erkrankte. Auch die Zahl der Corona-Patienten in den Spitälern ist laut den Daten des Ressorts leicht sinkend. „Wir haben die erste Phase der Corona-Krise gut bestanden und unser Ziel der Abflachung der hohen Steigerungszahlen an Neuerkrankungen durch die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt und eines großartigen Engagements der Bevölkerung gut erreicht“, sagt Anschober.
Doch was können wir lernen aus der bisherigen Entwicklung und dem Vergleich zu anderen Ländern? Ein paar Gedanken dazu:
- Zum einen zeigt sich sehr deutlich, dass Präventionsmaßnahmen rasch greifen können und ein großer Teil der Bevölkerung auch bereit ist, diese mitzutragen, wenn klar und unmissverständlich kommuniziert wird, worum es geht. Dieses Wissen kann auch in der Bekämpfung anderer Krankheiten hilfreich sein.
- Ähnlich wie im Fußball wo es in Österreich acht Millionen Teamchefs gibt, gibt es in Sachen Gesundheit auch fast so viele Epidemiologen und nicht weniger Virologen im Land. Mit Blick in Medien und soziale Medien bekommt man fast den Eindruck, dass jeder eine bessere Strategie hätte, als die von der Bundesregierung in Boot geholten Experten. Die Szenarien reichen von natürlicher Herdenimmunität und Corona-Parties, über Vergleiche ob nun Corona oder die normale Influenza mehr Menschen tötet, bis zu darwinschen Gedankenspielen. Manche sind zumindest für Fakten immun.
- Glaubt man den Eigenangaben der Österreicher, so leben rund zwei Drittel seit der Corona-Krise gesünder. Das zeigt zumindest eine neue Umfrage des Research Affairs Instituts unter 1000 Österreichern. Konkret werden häufiger frische Speisen zubereitet (38%), Essen bewusster zu sich genommen (27%) und ein Viertel der Befragten achtet auch mehr auf die Körperhygiene. 21 Prozent meinten, sie hätten ihre Bewegung und Sportaktivitäten gesteigert und zumindest 18 Prozent meinten, sie würden weniger Alkohol konsumieren.
- Wir haben gesehen, dass das Verhalten der Menschen binnen drei Wochen veränderbar ist.
- In kurzer Zeit wurden Ressourcen für Gesundheit aber auch die Beseitigung von gesundheitlichen Folgen freigemacht, die bisher undenkbar waren. Das gilt für die Versorgung genauso wie für die medizinische Forschung.
- Wir sehen, dass Vieles machbar ist, wenn es politische Priorität hat.
- Die Zahl der Menschen, die sich um andere sorgt und sich selbst zusammenreißt um anderen zu helfen und sie zu schützen, ist größer als Viele bisher gedacht haben. Wer die Maßnahmen kritisiert, gibt bei genauerem Nachfragen zu, dass er sich vor allem nicht einschränken und seinen eigenen Lebensstil beibehalten will.
- Was den Menschen in der Krise wohl deshalb auch die größten Sorgen bereitet, ist nicht etwa die Angst um den Job oder die eigene Gesundheit, sondern, dass sie nicht mehr shoppen gehen können – das zeigt zumindest eine Umfrage in einem Boulevardmedium.
- Nicht nur der Großteil unserer Konsumartikel, sondern auch der Großteil unserer Arzneimittel und Medizinprodukte kommt aus China. Binnen kürzester Zeit kann deshalb die Versorgung kippen. Der Druck auf Preise, Optimierung und Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen bringt die Systeme im Ernstfall rasch an die Grenze. Doch eine Umkehr dieses Denkens wird mehr Geld kosten: für Arzneimittel, für Medizinprodukte, für Gesundheitsberufe, für Pflege und Versorgungsstrukturen. Die kommenden Monate werden zeigen, wo hier die Prioritäten wirklich liegen.
- In der Krise zeigt sich auch die Kreativität der Menschen und man findet rasch Lösungen, die bisher undenkbar waren. Autobauer (von denen manche vorher für manipulierte Abgastests kritisiert wurden) erzeugen jetzt Beatmungsgeräte, Textilfirmen Atemschutzmasken, Alkoholhersteller Desinfektionsmittel, Krankenkassen ermöglichen Telemedizin bei der die Ärzte mitziehen und Apotheken finden Wege, ihre Produkte direkt zu den Patienten nach Hause liefern zu können. Das alles macht Hoffnung, dass wir auch die Folgen der Krise meistern werden. (rüm)