Kommentar: Gesundheitsminister hat wenig zu sagen

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Jetzt ist es also wieder passiert: der nächste Gesundheitsminister wirft zermürbt von Pandemie, ÖVP, Landeskaisern und Corona-Maßnahmenkritikern das Handtuch. Vor allem aber deshalb, weil das Ministerium eigentlich wenig zu sagen hat.

Keine Frage: Die Figur, die die Bundesregierung und die grünen Gesundheitsminister in der Pandemiebekämpfung gemacht haben, war nicht besonders gut. Rudolf Anschober und seinem Nachfolger Wolfgang Mückstein muss man aber zugestehen, dass sie mit Kräften versucht haben, die Krise zu bewältigen. Und da auch an und über die Grenzen ihrer Kräfte gegangen sind. Mückstein hat den Rücktritt unter anderem mit der beständigen Bedrohung seiner Person und seiner Familie begründet. Keine Frage: der Arzt hat sich wohl die Arbeit als Gesundheitsminister nicht so vorgestellt, dass er monatelang ständig Cobra-Beamte an seiner Seite hat und keinen Schritt ohne Polizeischutz unternehmen kann.

Doch das allein ist es nicht. Das Problem war wohl in beiden Fällen auch ein Überschätzen der politischen Möglichkeiten. Ein Gesundheitsminister hat im Gesundheitsbereich in Österreich nämlich recht wenig zu sagen. Das zeigt sich schon am Budget: von den rund 43 Milliarden Euro, die pro Jahr im Gesundheitssystem ausgegeben werden, darf das Ministerium gerade einmal 1,6 Milliarden verwalten. Der Rest liegt in den Budgets der Länder für die Spitäler und in den Kassen der Sozialversicherung. Nicht zuletzt deshalb reden auch die Länder kräftig mit. Kassen und Länder sind zudem mehrheitlich ÖVP-dominiert. Kärnten, Wien und das Burgenland wiederum sind als SP-geführte Bundesländer überhaupt ein Gegenpart zur aktuellen Regierung.

Wie wenig Möglichkeiten ein Gesundheitsminister hat, zeigte sich etwa beim leidigen Impfthema. Für die Umsetzung der Impfstrategie sind die Länder verantwortlich – von der Anmeldung zu Impfungen, über die Organisation der Impfstraße und die Verteilung der Impfstoffe bis zur Finanzierung. Der Bund stellt nur die Gelder nachträglich zur Verfügung. Das gleiche gilt für die Teststrategie. Die Folge: ein Fleckerlteppich mit unterschiedlichen Regelungen in allen Ländern. Exemplarisch war wohl der Bund-Ländergipfel im Herbst in Tirol. Weil sein Elektro-Dienstwagen unterwegs aufgeladen werden mußte, kam Mückstein spät zur Besprechung mit den Landeshauptleuten. Bis er dort war, waren ein neuer Lockdown samt Impfpflicht im Grunde bereits beschlossen – von den Landeschefs. Jene Landeschefs übrigens, die ab Februar dann gegen die Impfpflicht ins Feld zogen und sich Schritt für Schritt davon distanzierten und damit den Minister zum zweiten Mal bei gleichen Thema im Regen stehen ließen.

Der Höhepunkt der Entfremdung von Minister und Landeschefs, aber auch von der ÖVP, war nun der Rücktritt selbst: Am Samstag, nach zwei Jahren Pandemie, werden fast alle Maßnahmen, die zur Eindämmung der Coronakrise dienten, aufgehoben. Einzig die Maskenpflicht bleibt an bestimmten Worten. Für diesen Tag war angeblich Mücksteins Rückzug geplant. Quasi als vermeintlich positiver Abschluss: der Minister geht nach getaner Arbeit – so die Kommunikationsidee. Laut Medienberichten soll die ÖVP das vorzeitig zunichte gemacht und die Info schon am Mittwochabend an die Medien gespielt haben.

Mücksteins Nachfolger ist ein langjähriger Politprofi und er bringt Basiskenntnis aus dem Sozialbereich mit. Auf den Arzt folgt ein Sozialarbeiter. Die Erfahrung aus der Sozialpsychiatrie, Arbeitslosenbetreuung und Schuldenberatung kann er jetzt brauchen – die Themen sind als Folge der Pandemie ganz oben auf der Tagesordnung. Ob das reicht, wird sich zeigen. Die Bundespolitik ist ein anderes Pflaster als die mitunter gemächliche Vorarlberger Landespolitik. Vielleicht hilft Johannes Rauch zumindest die Kenntnis des Föderalismus.

 

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer hier zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)