Seltene Erkrankungen sind – wie der Name sagt – selten. Dieses Attribut erhält jede Krankheit, von der nicht mehr als 5 von 10.000 Einwohnern betroffen sind. Und doch haben seltene Erkrankungen, deren Gruppenzugehörigkeit sich nur über ihre Seltenheit definiert, mehr gemeinsam als das Attribut. Sie sind so selten, dass die Herausforderungen ähnlich sind: Sie sind so selten, dass sie zum Teil wenig erforscht sind, dass Diagnosemöglichkeiten und Therapien oft fehlen. Der Leidensweg der Betroffenen – und der sie betreuenden Hausärzte – beginnt daher meist schon mit einem mühevollen, oft jahrelangen Weg bis zur richtigen Diagnose. „Häufig fühlt sich kein Organfachgebiet zuständig, da gleichzeitig mehrere Organbereiche betroffen sind; häufig endet auch die spezialistische Diagnostik in der Sackgasse eines Teilbereichs“, beschreibt Dr. Reinhold Glehr die Herausforderungen aus allgemeinmedizinischer Perspektive.
Eine weitere Gemeinsamkeit: Die Zahl der Betroffenen scheint vernachlässigbar klein, aber alles in allem sind seltene Erkrankungen häufig – ein nur scheinbares Paradoxon. Es gilt als eines der zentralen Missverständnisse im Umgang mit seltenen Erkrankungen, dass die Gesamtzahl der Patienten unterschätzt wird. Bei einer derzeit geschätzten Zahl von 6.000 bis 8.000 Orphan Diseases sind es in Summe 5–7 % der Gesamtbevölkerung, die im Laufe ihres Lebens von einer seltenen Erkrankung betroffen sind. Das sind mehr als 400.000 Betroffene allein in Österreich.
Wenn in Summe mindestens 5 % der Bevölkerung, 5 % von uns allen an einer seltenen Erkrankung leiden, bedeutet das, dass auch in der allgemeinmedizinischen Praxis statistisch gesehen mindestens jeder Zwanzigste von einer seltenen Erkrankung betroffen ist …