Der Wiener Biotechnologe Ulrich Elling hat heute gesagt, was angesichts steigender Corona-Infektionszahlen offensichtlich ist: Die neue Welle ist da. Was immer man über Corona-Wellen denken mag, klar ist: diese wird uns wieder hart treffen.
Wer geglaubt hat, die Pandemie ist vorbei oder macht zumindest Pause, sieht sich aufgrund der aktuellen Entwicklung eines Besseren belehrt. In den vergangenen 24 Stunden sind 7.281 Neuinfektionen mit dem Coronavirus nach den Zahlen von Gesundheits- und Innenministerium (Stand Dienstag, 9.30 Uhr) hinzugekommen. Und die Tendenz geht nach oben. Schon in der Vorwoche haben die Gecko und das Prognosekonsortium vor steigenden Zahlen gewarnt und eine neue Welle noch im Sommer in Aussicht gestellt. Der Genetiker Ulrich Elling, Experte vom Institut für molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften, wurde am Dienstag deutlicher: „Es wird eine Welle, es wird auch wieder hoch“ – und zwar „jetzt“, sagte er. Aber: „Wir können noch etwas machen.“ Er sprach dabei besonders den Schutz älterer und besonders vulnerabler Menschen an. Eine weitere Booster-Impfung würde etwa den Schutz gegen Spitalsaufenthalte erhöhen. „Sowohl die Gesellschaft als auch die Politik hängt dem Irrglauben an, dass es sich bei der Corona-Pandemie um eine saisonal auftretende Krankheit handelt“, sagte Elling. Die Jahreszeit sei aber nur ein Faktor, den die Variante Omikron BA.5 zum Beispiel mehr als wettmachen dürfte.
Viele werden sich jetzt genervt denken, dass man darüber nicht mehr so ein Theater machen soll und auf die im Frühjahr harmloseren Verläufe verweisen. „So viele Viren – aber jetzt kümmert uns das nicht mehr“, hatte Bundeskanzler Karl Nehammer erst vor einigen Wochen formuliert. Das spiegelt die Stimmung in der Bevölkerung: es gibt wieder große Konzerte und Veranstaltungen, man umarmt und küsst sich wieder zur Begrüßung und in den Supermärkten sind FFP2-Masken vielerorts schon gar nicht mehr im Sortiment und auch nicht mehr vorrätig.
An dieser Stelle soll jetzt nicht über schwere Erkrankungen, überfüllte Krankenhäuser und Intensivstationen geredet werden, es ist schlimm genug für Betroffene und Gesundheitsberufe. Aber die Welle wird uns noch anders treffen – und zwar alle. Dazu ein kurzes Rechenbeispiel: 7000 Infektionen pro Tag sind etwa 49.000 pro Woche. Viele Erkrankte fallen für zwei Wochen beruflich aus, weil Covid-19-Symptome doch belastend sind. Kommen in der folgenden Woche noch 50.000 oder mehr dazu, fehlen der Wirtschaft 100.000 Arbeitskräfte. Das sind immerhin 2,5 Prozent aller unselbstständig Beschäftigten. Und es können sehr rasch 5 Prozent und mehr werden. Das kann für die Gesunden bedeuten, dass sie nicht in Urlaub gehen können, weil Kolleg:innen ausfallen. Auch im Gesundheitsbereich. Das trifft aber auch den Tourismus, der sich gegen verschärfte Maßnahmen wehrt und ums Geschäft fürchtet. Wenn in der Branche, die schon jetzt immer schwerer Personal findet, fünf Prozent der Beschäftigten ausfallen, wird das bitter. Auch wenn wir es also nicht mehr hören wollen: Die Welle ist da und sie wird uns alle irgendwie treffen. Es wird Zeit, Maßnahmen zu treffen. Rasch.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)