Im Winter vor fast zwei Jahren wurde Österreich zu einem Corona-Hotspot. Vor einem Jahr wurde die Corona-Impfaktion gestartet. Gelernt hat man seither vor allem in den Bundesländern wenig.
Von der Politik als „Gamechanger“ angekündigt, wurde mit Jahresbeginn 2021 die Corona-Impfaktion in Österreich gestartet. Das symbolträchtige Bild der Victory-Geste des Wiener Mediziners Christoph Wenisch ging damals rund um die Welt. Doch aus dem herbeigesehnten Weg in die Normalität wurde nichts. Das liegt nicht nur an der Delta- und Omikron-Variante und dem recht hohen Anteil an Impfverweigerern, sondern auch an der Politik und den Strukturen im Land. Vor allem dass viele Maßnahmen in die Zuständigkeit der Bundesländer fallen, entpuppt sich immer mehr als Hemmschuh. Denn in den Ländern fehlen den politisch Verantwortlichen auch fast zwei Jahre nach Beginn der Pandemie die Kompetenz und/oder der Wille zur Umsetzung von Maßnahmen.
Beispielgebend ist das Bild in Tirol: Die Touristiker und von ihnen angetrieben auch die Landespolitiker liefen etwa kurz vor dem Jahreswechsel Sturm, damit die auf 22.00 Uhr vorverlegte Sperrstunde zum Jahreswechsel wieder aufgehoben wird. Es gefährde die Unternehmen und viele Urlauber würden stornieren, hieß es. Die Tiroler Touristiker schossen sich zuletzt auch massiv auf den Gesundheitsminister ein, ihre Vertreter stimmten im Parlament aber davor jedesmal den kritisierten Maßnahmen zu. Das kann man natürlich machen. Wir reden aber von jenem Bundesland, das trotz höchster Infektionszahlen nach dem Lockdown gleich wieder alles geöffnet hat und das nun aktuell die höchste 7-Tages-Inzidenz von 432,7 hat – fast doppelt so hoch, wie der Österreich-Durchschnitt.
Doch während Gesundheitsberufe seit Monaten am Limit arbeiten, um erkrankte Menschen zu versorgen und während viele Menschen unter anderem psychisch mit den Lockdownfolgen zu kämpfen haben, bekommen die Tiroler auch nach 22 Monaten die einfachsten Dinge der Pandemiebekämpfung – Gästeregistrierung, Kontaktnachverfolgung, Abstandsregeln – noch immer nicht lückenlos auf die Reihe. Beispiele sind jüngste Meldungen aus Kitzbühel und ausgerechnet Ischgl. In jenem Skiort, der im Frühjahr 2020 traurige Berühmtheit erlangte, weil sich von dort aus das Virus in mehreren europäischen Ländern verteilte, wird auch jetzt wieder kräftig gefeiert. Und auch ausgerechnet in jenem Après-Ski-Lokal, das schon 2020 Schlagzeilen machte. Die Landesbehörden machen dabei keine gute Figur: Zuerst wurde ein Fall eines Beschäftigten bekannt und es hieß, dass er nicht mit der Omikron-Variante infiziert sei. Nach und nach wurde dann bekannt, dass die Person aufgrund einer „Impfallergie“ nicht geimpft ist, sich doch fünf, später hieß es sechs weitere Beschäftigte angesteckt hatten und das Land trotz Gästeregistrierung einen öffentlichen Aufruf für nicht registrierte Gäste startete. Das Lokal argumentierte, dass man sehr wohl alle Gäste registriert habe, es seien aber zu viele, um sie rasch kontaktieren können. Weshalb es eben einen öffentlichen Aufruf gab.
Wahrscheinlich stimmt das sogar alles, denn die Geschichte klingt so blöd, dass sie niemand erfinden kann. Es zeigt aber ein Sittenbild: offenbar nimmt man in Tirol auch nach 22 Monaten alles noch recht locker. Dazu passt, dass aus dem Bezirk Kitzbühel ein Cluster unter Skilehrern mit mehr als 20 Corona-positiven Personen gemeldet wird. Die Gruppe konnte allerdings – das ist kein schlechter Scherz – die Namen der Almhütten und Restaurants, in denen sie sich aufgehalten hatten, nicht mehr nennen.
Tirol ist vielleicht ein besonderes Pflaster, doch irgendwo ist immer Tirol. Wir sollten uns auch an die eigene Nase fassen: Wenn wir fast zwei Jahre nach Pandemie so lasch mit den einfachsten Sicherheitsschritten umgehen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn es immer wieder zu Lockdowns und ungeliebten Maßnahmen kommt. (rüm)