Kranke Nervenzellen: Neuer Ansatzpunkt aus Graz für Therapie

Nervenzellen können sich im Falle von neurodegenerativen Erkrankungen nicht mehr regenerieren. Forscher an der Med-Uni Graz haben mit internationalen Kollegen einen Mechanismus gefunden, der im Normalfall die krankmachende Verklumpung der RNA-bindenden Proteine verhindert.

Ob Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) – an welcher etwa der britische Astrophysiker Stephen Hawking litt – oder die Frontotemporale Demenz (FTD) – viele neurodegenerative Erkrankungen haben als gemeinsame Ursache, dass es im Zellkern von Nervenzellen zu pathologischen Ablagerungen von Proteinen kommt. Diese können ein Absterben der Nervenzellen auslösen. Die Folge ist eine schrittweise Beeinträchtigungen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Der Großteil neurodegenerativer Erkrankungen ist dabei nach wie vor nicht behandelbar. Umso wichtiger wäre es daher, die molekularen Wirkmechanismen zu verstehen und letztlich mögliche Angriffspunkte für eine Therapie der bisher unheilbaren Krankheiten zu finden.

ALS und FTD entwickeln sich plötzlich und schreiten im Krankheitsverlauf schnell voran. So liegt zum Beispiel die durchschnittliche Überlebenszeit von der ALS Diagnose bis zum Tod bei nur zwei bis vier Jahren. Wenn ALS und FTD genetisch veranlagt ist, entstehen sogenannte DPR-Proteine durch Abschreiben von Hexanukleotid-Wiederholungen im C9orf72-Gen. Tobias Madl vom Gottfried Schatz Forschungszentrum der Medizinischen Universität Graz umriss am Montag in einer Aussendung, den jüngsten Forschungsansatz: „Unser gemeinsames Ziel war es herauszufinden, ob diese aggregationsfreudigen DPR-Proteine durch körpereigene Proteine vor einer Verklumpung geschützt werden können und ob dieser Prozess in ALS und FTD gestört ist.“ Die Erkenntnisse wurden nun im Fachjournal „Cell“ publiziert.

Speziell untersuchte das Forscherteam unter der Leitung von Dorothee Dormann (Ludwig-Maximilians-Universität München) die Rolle von Importin-Proteinen. In ihren Untersuchungen dieser körpereigenen nuklearen Importrezeptoren beobachteten die Forscher, dass solche Proteine tatsächlich die Verklumpung von DPR Proteinen verhindern und deren toxische Wirkung aufheben können. „Diese Entdeckung könnte therapeutische Auswirkungen haben, da sie darauf hindeutet, dass Therapeutika mit Ähnlichkeiten zu Import Proteinen vielversprechend bei der Behandlung von ALS und FTD sein könnten“, erklärte Tobias Madl die Bedeutung des Studienergebnisses. (red/APA)

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2211124720315278