Aufgrund der intensiven medialen Berichterstattung und Kommunikation unterschiedlicher Empfehlungen der vergangenen Tage und Wochen zum Thema Kreuzimpfungen bei COVID-19-Impfstoffen nimmt der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) dazu nun klar Stellung.
Im Hinblick auf das Ziel einer raschen Durchimpfung der Bevölkerung sei eine klare Information und Kommunikation notwendig, die möglichst wenig Verunsicherung mit sich bringt, hieß es am Freitag in einer Aussendung. Aus diesem Grund habe die europäische Zulassungsbehörde EMA auch einen strengen und eindeutig geregelten Zulassungsprozess, „in dem mehr als 100 Experten alle vorgelegten Daten eines Impfstoffes genau prüfen und beurteilen, ob dieser hoch qualitativ, sicher und wirksam ist.“ In der Zulassung selbst werde zudem klar festgelegt, wie diese Impfstoffe anzuwenden sind.
Die EMA hat bisher vier COVID-19-Impfstoffe zur Verwendung in der EU zugelassen. Jeder dieser Impfstoffe habe alle Entwicklungsstufen bestehend aus mehrphasigen Studien, Zulassungsverfahren und schlussendlich Genehmigung durchlaufen, heißt es in der Stellungnahme der Hersteller. „Die erforderlichen Kriterien der Wirksamkeit und Sicherheit mussten klar nachgewiesen werden.“ Die Warnung: Keiner dieser Impfstoffe wurde bisher für Kreuzimpfungen – egal welcher Art – zugelassen. Die Wirksamkeit und Sicherheit von heterologen Impfschemata werde derzeit aber in mehreren klinischen Studien geprüft. „Alle bisherigen Studien sowie die Zulassung der einzelnen Hersteller zur primären Impfserie basieren allerdings auf einem homologen Impfschema ohne Wechsel des Impfstoffes.“
Werde davon abgewichen, handelt es sich um einen sogenannten „Off-Label-Use“, also eine Anwendung, die nicht der überprüften und genehmigten Verabreichungsform entspricht. „Eine Off-Label-Anwendung ist zwar möglich, aber nur für Ausnahmefälle vorgesehen. Sie ist außerdem mit besonderen Auflagen, wie einer intensiven Aufklärung der zu impfenden Person, verbunden.“ Die Haftung liege in diesem Fall beim Impfarzt. „Als Impfstoffhersteller und Zulassungsinhaber können wir diese Vorgehensweise nicht unterstützen.“
Der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) Walter Hasibeder (Zams) warnte im Hinblick auf die Diskussion über weitere Lockerungsmaßnahmen in Österreich im Verlauf des Jull: „Die weitere rasche Ausbreitung der ‚Delta-Variante‘ von SARS-CoV-2 in vielen Ländern gibt Anlass zur Sorge und sollte uns zur Vorsicht mahnen.“ Auch hierzulande ist der Anteil der Delta-Variante an sequenzierten PCR-Tests laut COVID-19-Prognosekonsortium in der Kalenderwoche 26 bereits auf 60 Prozent angestiegen. „Wir müssen rechtzeitig gut gewappnet sein für einen Wiederanstieg der Fallzahlen, wie wir sie seit Wochen in vielen Ländern beobachten müssen. Die aktuell günstige Infektionslage darf uns nicht in falscher Sicherheit wiegen.“
Bei einer ungenügenden Durchimpfungsrate bestehe die große Gefahr einer neuerlichen Infektionswelle am Ende der Sommerferien, „wenn wir uns wieder mehr in Räumen aufhalten und wenn Urlaubsrückkehrer die Delta-Variante oder neue noch unbekannte ‚variants of concern‘ eintragen“, betonte Hasibeder. „Die möglichst vollständige Durchimpfung der Bevölkerung muss daher in den nächsten Wochen das oberste gesundheitspolitische Ziel sein.“ Von größter Bedeutung sei die rasche Entwicklung einer langfristigen Impfstrategie, insbesondere was Auffrischungsintervalle und -dosen sowie die Kombination verschiedener Impfstoffe betrifft, so der ÖGARI-Präsident. „Aufgrund des Auftretens neuer Varianten haben wir hier aus meiner Sicht keinen langfristigen Planungsspielraum, bis spätestens Ende September benötigen wir ein schlüssiges Konzept, dass dann rasch umgesetzt wird.“ Solange das Virus über einen weltweiten Menschenpool von ungeschützten Personen verfüge, steige die Wahrscheinlichkeit für neue gefährlichere Varianten, die immer wieder das Gesundheitssystem schwer belasten. „Nur eine weltweite Impfstrategie, die eine entsprechende koordinierte finanzielle und logistische Unterstützung durch reiche Länder hat, kann die Pandemie beenden. Natürliche und künstlich gezogene Grenzen halten das Virus sicher nicht auf“, betont Hasibeder. (rüm)