In der Debatte um Hausapotheken und Lieferengpässe bei Medikamenten kritisiert Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres die Apothekerkammer und ruft zum gemeinsamen Kampf gegen die Ursachen der Probleme auf.
Der aktuelle Konflikt zwischen Apotheker- und Ärztekammer geht in die nächste Runde. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres fordert im Interview mit RELATUS MED die Apotheker zum Dialog und zum gemeinsamen Kampf gegen niedrige Arzneimittelpreise aus, die er als Ursache der Probleme sieht. Es bringe nichts, „sich Freundlichkeiten über die Presse auszurichten“, formuliert er. Zuvor hatten sowohl die Wiener, also auch die Österreichische Apothekerkammer die Ärzte für ihre Forderung nach Ausweitung der Hausapotheken kritisiert. Wie berichtet reagiert die Ärztekammer damit auf den Wunsch der Apotheker, bei Lieferengpässen künftig verordnete Medikamente ohne Rückfrage beim Arzt gegen Generika tauschen zu können.
„Offenbar haben wir zu niedrige Preise für Medikamente. Das ist der wahre Grund, warum es zunehmend zu Lieferengpässen kommt“, sagt Szekeres. Generell gehe er aber davon aus, dass den Patienten die Ärzte wichtiger seien als die Apotheker und spielt damit auf eine Umfrage an, wonach zwei Drittel der Patienten Medikamente direkt vom Arzt wünschen. Szekeres: „Die Hausapotheken werden von den Patienten eingefordert und sind wichtig im System.“ Eine „One-Stop-Shop“-Lösung – „also Untersuchung, Diagnose und Medikamente aus der Hand des Arztes – wäre natürlich eine wesentliche Vereinfachung für die Patienten“, sagt auch Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart.
Die Apotheker selbst legen indes nach: Der Plan der Österreichischen Ärztekammer, die Medikamentenabgabe in die Ordinationen zu verlegen, könne das österreichische Gesundheitssystem ins Wanken bringen. „Die Arzneimittelabgabe durch den Arzt kann immer nur eine Notlösung sein und niemals eine öffentliche Apotheke ersetzen“, weist Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer, die Forderung der Ärztekammer entschieden zurück. Die Apotheker orten im Vorstoß der Ärzte den Versuch zusätzliche Einnahmen zu generieren. „Ärzte sollten für ihre ärztliche Tätigkeit angemessen bezahlt werden. Dass sie auf Zusatzeinkünfte aus einer anderen Tätigkeit angewiesen sein sollen, ist schlicht unwürdig.“ In Zeiten der Dreiminuten-Medizin sei das qualitätsvolle Führen einer Hausapotheke durch den Arzt unmöglich. Susanne Ergott-Badawi, ebenfalls Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Apothekerkammer, argumentiert zudem, dass die Ärzte keine durchgehenden Öffnungszeiten wie die Apotheken garantieren könnten: „Die österreichischen Apotheken sind mit ihren langen Öffnungszeiten von bis zu 54 Stunden pro Woche überaus kundenorientiert und bieten eine gute Versorgung mit Arzneimitteln, auch außerhalb der ärztlichen Ordinationszeiten, oder wenn die Arztordination etwa wegen Urlaubs geschlossen ist.“ Nachsatz: „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind immer für unsere Kunden da, und das wissen sie auch zu schätzen.“ Es gebe kein sachliches Argument dafür, das Medikamentensortiment aus der Apotheke abzuziehen und in die Ordination eines Arztes zu verlegen, sagt Philipp Saiko, Präsident der Apothekerkammer Wien: „Eine ärztliche Hausapotheke macht in entlegenen Regionen des Landes als Notlösung durchaus Sinn, in einer Stadt mit einem derart engmaschigen Apothekennetz wie Wien hingegen ganz bestimmt nicht.“ (rüm)