In Österreich und Deutschland gibt es zunehmend Schwierigkeiten, fiebersenkende Mittel für Kinder zu bekommen. Der Grund liegt im Ende der Corona-Maßnahmen.
Was bereits seit einigen Wochen in Apotheken in Deutschland diskutiert wird, erreicht nun auch Österreich. Zunehmend klagen Eltern über Schwierigkeiten, Säfte mit dem Wirkstoff Ibuprofen sowie Zäpfchen und Brausetabletten mit Paracetamol für Kinder zu bekommen. Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärte, dass die „im Direktvertrieb oder über den vollversorgenden Großhandel abgegebenen Warenmengen“ insgesamt „den bisherigen durchschnittlichen Bedarf repräsentierten“. Im laufenden Jahr sei der Bedarf an den betroffenen Arzneimitteln überproportional angestiegen.
Ähnliches berichtet auf RELATUS-Anfrage die Österreichische Apothekerkammer. Es herrsche derzeit erhöhte Nachfrage bei diesen Medikamenten. „Vereinzelt kommt es daher zu Lieferproblemen bei bestimmten Dosierungen und Geschmacksrichtungen. Eine Lieferengpass-Welle, wie sie aus Deutschland gemeldet wird, ist in Österreich zum aktuellen Zeitpunkt nicht feststellbar“, teilt ein Sprecher mit. Noch. Der Pharma-Großhandel bestätigt, dass aktuell einzelne Produkte von Herstellern nicht lieferbar sind. „Aber die Vollgroßhändler haben sich gut bevorratet, sodass aus den Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden. Eine Langzeitprognose ist aufgrund der vielen Unsicherheitsfaktoren nicht möglich“, sagt Monika Vögele, Generalsekretärin des Großhandelsverbandes PHAGO.
Die Gründe für die Probleme ortet die Apothekerkammer in „Transport- und Kapazitätseinschränkungen, der aktuellen geopolitischen Situation und der Situation rund um Shangai“ sowie einem anhaltend hohen Infektionsdruck bei den Kindern „out of season“. Hans Jürgen Dornbusch, Fachgruppenobmann Kinder- und Jugendheilkunde in der Österreichischen Ärztekammer, bestätigt im RELATUS-Interview ein verstärktes Infektionsgeschehen bei Kindern im Sommer: „Durch die Corona-Schutzmaßnahmen hatten wir im Winter 2020/21 erstmals keine Influenzafälle und auch 2021/22 nur wenige Fälle. Durch den Wegfall der Maßnahmen kommt es jetzt zu ungewöhnlichen Zeiten zu vermehrten Infekten. Die Viren treffen quasi auf eine naive Immunisierung, weil diese während der Pandemiemaßnahmen nicht stattgefunden hat.“ Dornbusch beobachtet etwa in seiner Praxis in Graz auch mehr Fälle von Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV). „Das gab es vorher im Sommer nie.“ RSV sei ein Riesenthema bei kleinen Kindern, weil das Symptomspektrum von einer einfachen Atemwegsinfektion bis zu einer schweren beatmungspflichtigen Erkrankung der unteren Atemwege verlaufen kann.
Lösungen sind vorerst nicht in Sicht. Dornbusch warnt aber vor einem Zusammentreffen einer stärkeren Influenzawelle im Herbst mit einer möglichen weiteren Corona-Welle. In Deutschland verweist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Abstimmung mit dem deutschen Krankenkassen-Spitzenverband GKV und dem Apothekenverband ABDA „als Kompensationsmaßnahme“ auf die Möglichkeit, dass Apotheken die Fieber- und Schmerzmittel selbst anmischen. Dazu sei ein ärztliches Rezept erforderlich, erklärte das BfArM. (rüm/kagr)