Der Rektor der MedUni Wien äußerte sich zu den aktuellen Versorgungsproblemen. Er setzt sich für eine bessere Bezahlung und weniger Bürokratie ein. Niederösterreich möchte Landärzt:innen mehr zahlen.
Die Versorgungslage im öffentlichen Gesundheitssystem wird seit Monaten intensiv diskutiert. Es fehlt an Fachkräften, Spitalsstationen und -abteilungen müssen teils gesperrt werden. Immer wieder wird eine Ausweitung der Medizin-Studienplätze gefordert. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, hält davon allerdings nichts, ebenso wie von einer Berufspflicht. In einem Interview mit der APA spricht er sich dafür aus, Ärzt:innen durch „spezielle Gehaltsanreize“ in Mangelfächer zu führen. Dringend notwendig wäre das vor allem in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In den Fächern Gerichtsmedizin, Pathologie oder Urologie sei der private Markt so attraktiv, dass die öffentliche Versorgung gefährdet sei, meint Müller weiter.
Als Nadelöhr sieht Müller die neunmonatige Basisausbildung junger Mediziner:innen, die alle Absolvent:innen nach dem Abschluss absolvieren müssen. Die Inhalte seien ähnlich wie im Klinisch-Praktischen-Jahr, die Jungärzt:innen würden in den Spitälern vielfach unter ihrer Qualifikation für nicht-ärztliche Tätigkeiten eingesetzt. Noch dazu gebe es anscheinend nicht genug Basisausbildungsplätze für alle. „Angesichts der Ärzt:innenzahl-Diskussion wäre es vernünftig, die Basisausbildung einfach ersatzlos zu streichen“, findet Müller, der außerdem dafür plädiert, dass es bei der Facharzt-Ausbildung nicht mehr verpflichtend ein 1:1-Verhältnis von Fachärzt:in zu Assistent:in geben soll, weil das die Qualität nicht wie gewünscht steigern würde. Um die Versorgung möglichst rasch zu verbessern, braucht es laut dem Rektor vor allem mehr Pflegekräfte.
Um Kassenarztstellen in ländlichen Regionen attraktiver zu machen, hat Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) höhere Tarife vorgeschlagen und damit den Ball von den Ländern hin zu den Kassen gespielt. Ein konkretes Modell für die geforderte Änderung, müsse mit allen betroffenen Stakeholdern – also Ärztekammer, ÖGK, Gesundheits- und Finanzministerium – ausgearbeitet werden, teilte das Büro der ÖVP-Politikerin auf Anfrage mit. „Nach dem Grundgedanken des Klimabonus – je weiter weg von den Ballungszentren, desto höher – sollten auch die Krankenkassentarife gestaltet werden“, erklärte Mikl-Leitner. Wie mit unbesetzbaren Kassenstellen in Städten umgegangen werden soll, blieb unbeantwortet.
Damit das Gesundheitssystem im internationalen Vergleich attraktiver wird, brauche es laut Müller mehr Digitalisierung (Ausbau von Gesundheitshotline 1450, e-Rezept und e-Medikation), flexiblere Arbeitszeiten und weniger Bürokratie. Das verschärfte Arbeitszeitgesetz, welches vorschreibt, dass bis 2028 die maximale Wochenarbeitszeit auf 48 Wochenstunden sinkt, würde große Probleme machen. Nur in den Uni-Kliniken werden wegen Forschung und Lehre 60 Stunden erlaubt. Laut Müller hat Österreich diese Regelung „überschießend“ umgesetzt, was dazu führt, dass immer mehr Spitalsärzt:innen ebenfalls Wahlordinationen eröffnen. In anderen EU-Ländern gibt es Opt-Out-Regelung, die Müller für sinnvoller hält.
Auch über die von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) angestrebte bessere Steuerung der Patient:innenströme wäre laut Müller viel zu gewinnen. Durch eine Krankenhauslastigkeit sei das österreichische Gesundheitssystem historisch ineffizient und teuer, weil es sehr viele Ärzt:innen benötige, die noch dazu unter ihrer Qualifikation eingesetzt würden. Eine Stärkung und Verschiebung hin zum niedergelassenen Bereich würde hier helfen. Müller setzt sich außerdem für Administrativkräfte zur Entlastung der Ärzt:innen ein. „Österreich müsste sich eigentlich bemühen, diese hochtalentierten Arbeitskräfte im Land zu halten – und das geht nur über ein hochqualitatives Gesundheitssystem“, fasst Müller zusammen. (APA/kagr/rüm)