Vom Überleben zum Leben: Die Therapie onkologischer Erkrankungen hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Patienten mit Tumoren, für die noch vor wenigen Jahren keine relevanten Behandlungsoptionen zur Verfügung standen, profitieren von einem konstanten Rückgang der Sterblichkeit und einem entscheidend verlängerten Überleben. Patienten mit Tumoren, für die noch vor wenigen Jahren keine relevanten Behandlungsoptionen zur Verfügung standen, profitieren von einem entscheidend verlängerten Gesamtüberleben. Beim fortgeschrittenen Melanom etwa kann dank modernen Immuntherapien bei etwa 20% der Patienten ein Langzeitüberleben von 10 und mehr Jahren erreicht werden – diese Menschen leben!
Doch der Erfolg hat seinen Preis – durchaus im wörtlichen Sinn: Moderne Therapien sind exorbitant teuer. Immer wieder wird davor gewarnt, dass sie die Solidarsysteme an die Grenzen der Finanzierbarkeit bringen könnten, immer wieder wird – vorschnell – nach gesundheitsökonomischer Bewertung und Reglementierung gerufen. Doch wer soll welche (teuren) Therapien bekommen? Allzu schnell wird mit dem Verweis auf die vermeintlichen Grenzen der Finanzierbarkeit gefordert, solche einzuziehen: einmal Grenzen hinsichtlich der Therapiekosten, einmal hinsichtlich des Patientenalters, dann hinsichtlich der Therapielinie. Möglichkeiten zur Rationierung sind viele denkbar – und gefährlich. Die Frage der Finanzierbarkeit wird allzu oft mit der Frage der Sinnhaftigkeit vermengt, oft von jenen, die nur Preise vergleichen, aber nicht die Patienten sehen.
Klar: Ressourcen sind begrenzt, Therapiekosten – möglicherweise zu – hoch. Fakt ist aber auch: Die kostbarste Ressource ist Leben.
Die Gesundheitsausgaben für Krebsbehandlung liegen in Österreich bei 6,5 % der gesamten Gesundheitsausgaben; auf die medikamentöse Krebstherapie entfallen 1,6 % der Gesundheitskosten. Fakt ist auch: Schon jetzt ist die Verfügbarkeit moderner Therapien bei weitem nicht überall gleich. Zwar sind in Österreich im Vergleich mit anderen Ländern moderne Therapien relativ schnell nach Zulassung verfügbar, das heißt jedoch nicht, dass der Patient in jedem Spital, bei jedem Spitalsträger, in jedem Bundesland gleiche Chancen hat, diese Therapien auch zu bekommen.
Der Diskurs zu Ressourcenallokation – wieviel eine Gesellschaft bereit ist, insgesamt für Gesundheit auszugeben – ist gesellschaftspolitisch zu führen, die Entscheidung darf nicht dem einzelnen therapierenden Arzt umgehängt werden. Aber: Die Bewertung von
Therapien im Hinblick auf ihren Nutzen ist eine medizinische und medizinethische Frage. Sie sollte in der Kompetenz von Ärzten und medizinischen Experten (Fachgesellschaften, interdisziplinären Fachgremien) – nicht von Ökonomen – bleiben. Der Fokus der modernen Onkologie hat sich zunehmend vom kurzfristigen Überleben hin zum Leben gewandelt. Wie dieses monitär bewertet werden sollte, kann jede/r Einzelne von uns für sich selbst und das eigene Leben durchdenken. Wir werden keine schnelle Antwort finden …
Susanne Hinger ist Chefredakteurin der Ärzte Krone