Die Pandemie überlagert wichtige andere gesundheitspolitische Themen – gerade auch im ärztlichen Bereich. RELATUS MED sprach deshalb mit Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein über Ärztemangel, Kassenverträge und Kassenreform.
Die Ärztekammer kritisiert die aktuelle Novelle zur Qualitätssicherung und Ausbildung – wo liegt das Problem? Es gab zwei Bereiche – Ärzteliste und Ausbildung – wo vor 35 Jahren, als dieser Bereich der Ärztekammer übertragen worden ist, vergessen wurde, die Länder einzubinden. Es wurde also in Länderkompetenzen eingegriffen. Das wurde eingeklagt und der Verfassungsgerichtshof hat das vor etwa drei Jahren aufgehoben. Es brauchte nun eine Lösung, der alle neun Bundesländer zustimmen. Wäre das nicht gelungen, wären diese Passagen einfach aus dem Ärztegesetz gestrichen worden, was dazu geführt hätte, dass die Bezirkshauptmannschaften in den Bundesländern für den Bereich der Ausbildung und die Führung der Ärzteliste zuständig gewesen wären. Das ist natürlich absurd. Die Ärztekammer hat also die Ausbildung nicht verloren, weil das aktiv beschlossen worden ist, sondern weil vor 35 Jahren ein formaler Fehler gemacht worden ist. Ich hoffe, dass die Qualität der Ausbildung gleich gut bleibt, weil das die Ärztekammer auch ganz gut gemacht hat. Die Ärzteliste bleibt bei der Ärztekammer und die Länder bekommen Einsichtsrechte. Beim Thema Qualitätssicherung gab es einen breiten politischen Konsens der Regierungsparteien, der Länder und der PatientInnenanwaltschaften das auf neue Beine zu stellen – da sind wir jetzt dabei und haben dafür drei Jahre Zeit, eine Lösung zu finden. Wenn das nicht gelingt, macht das Gesundheitsministerium die Qualitätssicherung.
Ein anderes, brennendes Thema ist der ärztliche Nachwuchs. Fehlt er wirklich, oder bringen wir Ärzte nicht dorthin, wo wir sie brauchen? Und wie lässt sich das ändern? Man kann sicherlich die Zahl der Ausbildungsstellen moderat anheben – aber sicher nicht um 1000 Plätze, wie das oft gefordert wird, sondern im niedrigen Hunderterbereich. Wir haben aber ein Problem, dass es immer mehr Wahlärzte gibt und immer weniger Ärztinnen und Ärzte – vor allem in Mangelfächern wie Kinderheilkunde, Allgemeinmedizin, Gynäkologie – einen Kassenvertrag annehmen, weil es so viele privatversicherte Menschen gibt, die einen Markt auslösen.
Inwiefern? Wenn man 2,5 Millionen privatversicherte Menschen in Österreich hat, dann lösen die einen Markt aus und wenn man als Wahlarzt mit der Hälfte der Frequenz das gleiche verdienen kann, wie im Kassensystem und es genug Patienten gibt, ist das Kassensystem unattraktiv. Die Kolleginnen und Kollegen im Kassensystem verdienen an sich nicht schlecht aber die Arbeitsbedingungen sind nicht den Lebenskonzepten entsprechend. Es wollen viele junge Kolleginnen und Kollegen einfach nicht am Land Wochenenddienste schieben und immer erreichbar sein.
Wie lässt sich das lösen? Dem wurde schon entgegenkommen, dass man Teilungen von Kassenverträgen macht, Anstellungsmöglichkeiten geschaffen hat, dass man zumindest in einigen Bundesländern die persönliche Leistungserbringung aus den Verträgen gestrichen hat. Es ist ja absurd, dass ein Arzt ein EKG selbst schreiben muss, damit er es verrechnen kann. Immer noch nicht gelöst ist aber die duale Finanzierung. Ärztekammer und Krankenversicherungen entscheiden, wo Kassenstellen hinkommen und die Länder bezahlen die Spitäler. Die Abstimmung ist noch immer nicht gut gelöst.
Braucht es den Facharzt für Allgemeinmedizin? Ja, alle wollen das. Den Facharzt für Allgemeinmedizin braucht es und er kommt. Es gibt noch Gespräche, ob etwa die alten Kolleginnen und Kollegen den Titel bekommen, aber es kommt.
Wann kommt er? Wir arbeiten intensiv daran, aber es ist ein komplexer Prozess.
Stichwort Sozialversicherungsreform – welche Bilanz ziehen Sie bisher? Die Auswirkungen sieht man jetzt noch nicht so stark. In den Ländern sind vielleicht auf den ersten Blick etwas die Ansprechpartner verloren gegangen. Parallel gibt es jetzt einen Honorarkataloge der Ärztekammer, über den es Gespräche geben soll – das muss man sich also alles noch ansehen.
Das Interview führten Dr. Wolfgang Tüchler und Martin Rümmele